Das Herz Des Daemons
schloss er die Augen, dann nickte er, ehe er mich wieder ansah.
»... Adrien«, sagte er leise und tonlos. Abermals rieb er mit dem Daumen über den Fleck auf dem Papier.
»Wahrscheinlich nicht mehr als eine, allerhöchstens zwei Stunden alt.«
Mit einem Gefühl der Hilflosigkeit blickte ich auf die Fotos und denArtikel. Bastien, dieser Mistkerl! Er wusste genau, wie er Julien - beziehungsweise seiner Meinung nach Adrien - quälen konnte. Immerhin kannte er die beiden gut genug.
»Und jetzt?«
»Jetzt habe ich einen Anhaltspunkt: diesen Rummel. Dass die Polizei keine Spuren gefunden hat, bedeutet nicht, dass ich auch keine finde.« Entschieden steckte Julien die Abzüge und das Stück Zeitungspapier in den Umschlag zurück. »Wir gehen!«
Die Hand um meinen Oberarm schob er mich durch die anderen hindurch zur Garderobe. Ich ließ es zu. Auch wenn man ihm äußerlich nichts anmerkte, so verriet sein beinah schmerzhafter Griff seine Anspannung. Jede Sekunde, die das Katzenmädchen brauchte, um unsere Mäntel herauszusuchen, waren drei zu viel für Julien. Auf dem Weg zum Parkplatz gingen wir wortlos nebeneinander her, gerade schnell genug, um nicht zu rennen, jedoch bedeutend zu schnell, um gelassen zu wirken. Aber selbst wenn Bastien uns beobachten ließ: Unser vorzeitiger Aufbruch sagte ihm ohnehin, dass seine Nachricht Julien ... Adrien ... erreicht hatte - und dass der nicht einfach ruhig abwarten würde, was weiter geschah. Oder ob Bastiens nächste Nachricht vielleicht mehr als nur ein wenig Blut auf Zeitungspapier enthalten würde. Juliens Arm um mein Taille und seine Hand an meinem Ellbogen verhinderten, dass ich stolperte.
Die Fahrt zum Hale-Anwesen verlief schweigend. Nur einmal brach Julien kurz die Stille, um mich zu fragen, wie er am schnellsten zu diesem Rummel bei Darven Meadow kam. Ich war nur ein-oder zweimal dort gewesen,
entsprechend
unzulänglich
fiel
meine
Wegbeschreibung aus. Julien nahm meine gemurmelte Entschuldigung mit einem Nicken zur Kenntnis.
Er ließ die Corvette direkt vor dem Haus stehen und machte sich noch nicht einmal die Mühe, sie abzuschließen. Dass er darauf verzichtete, mir die Beifahrertür zu öffnen, sondern stattdessen schon die Treppe hinaufeilte - wobei er zwei Stufen auf einmal nahm -, um aufzusperren, machte seine Ungeduld überdeutlich.
Mit mehr Kraft als nötig stieß Julien die Haustür auf und bedeutete mir vorzugehen. »Zieh dich um. Ich bring dich ins Ruthvens. «
Schon halb an ihm vorbei hielt ich inne und drehte mich zu ihm um. »Aber wenn ich mit dir ...«
»Nein!«, schnappte er. Scharf und hart. Ohne mich den Satz zu Ende bringen zu lassen. Ich ballte die Fäuste. Aber so sehr es mich drängte, mich ihm zu widersetzen, ich schluckte den Widerspruch hinunter, den ich schon auf der Zunge hatte. Im Augenblick gab er Befehle - und erwartete von mir, dass ich sie befolgte. Er würde nicht mit mir diskutieren, sondern seinen Willen durchsetzen. Und wenn er mich mit Gewalt ins Ruthvens schleppen musste, um mich dort in Sicherheit zu bringen, dann würde er das tun. Ganz egal, ob ich noch in rote Seide gekleidet war oder nicht. Und diesmal würde er sich nicht umstimmen lassen. Wortlos schob ich mich endgültig an ihm vorbei und ging in mein Zimmer.
Als ich es wenig später wieder verließ, trug ich ein paar schwarze Jeans, einen dunklen Pullover mit einem weiten Rollkragen und Chucks. Das einzig Helle an mir war meine Jeansjacke. Das Kleid lag achtlos hingeworfen auf meinem Bett. Sogar die Kämme und Klammern waren noch in meinen Haaren.
Julien kniete - nach wie vor in Seidenhemd und Lederhosen - in seinem Zimmer vor dem Kleiderschrank, seinen Seesack halb herausgezerrt und offen vor sich. Nur die Rüschen waren von Ärmeln und Kragen verschwunden. Wie es schien, hatte er sie einfach heruntergerissen.
Dafür
sprachen
zumindest
die
unzähligen Fadenreste, die jetzt an ihrer Stelle aus dem Stoff ragten. Gerade zog er das Hosenbein über den rechten Knöchel.
Ich biss mir auf die Lippe, als er eine Metallkassette aus seinem Seesack hervorholte und sie öffnete. Darin lag eine Pistole. Was für eine genau es war, hätte ich nicht sagen können. Dazu kannte ich mich zu wenig mit diesen Dingen aus, obwohl meine Leibwächter früher ebenfalls solche Mordwerkzeuge getragen hatten. Für einen kurzen Moment fragte ich mich, ob es seine eigene war oder die seines Bruders, die ich damals in Adriens Kiste gefunden hatte. Julien nahm sie heraus, befreite
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