Das Herz des Eisplaneten
versucht hat, Eis aufzubrechen.« Bevor Yana weiter nachfragen konnte, war Sinead wieder aufgebrochen. Immerhin: Sie hatte ihr ungewöhnliche Tiere versprochen, und genau solche hatte sie zu Gesicht bekommen!
Yana war überrascht, daß sie viel früher den Schuppen erreichten, als sie erwartet hatte. Sie war Sinead dabei behilflich, die Hunde an den Schlitten zu schirren, dann legten sie die steif gefrorenen
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Tierkadaver auf die Schlittenbank, um schließlich auf kürzestem Weg zu der Stelle zurückzukehren, wo sie das Rentier aufgehängt hatte. Es war noch völlig unberührt.
Als sie Kilcoole erreichten, wobei Yana sich mit Sinead auf den Schlittenkufen abwechselte, sah das Dorf immer noch so aus wie bei ihrer Abfahrt: Der gefrorene Weg war menschenleer, und in den Hütten, an denen sie vorbeikamen, gingen die Lichter an.
»Brauchen Sie Hilfe beim Abhäuten?« fragte Sinead, nachdem sie gut die Hälfte der Beute zu Yanas Füßen abgelegt hatte.
»Ich hätte nichts dagegen«, gestand Yana. »Obwohl ich
wahrscheinlich schon irgendwie zurechtkäme. Ich habe das noch nie gemacht. Sicher, ich habe zwar etwas Erfahrung mit Fallen und Jagen gesammelt, aber nur selten zur Nahrungsbeschaffung. Meistens ging es um Musterexemplare, die für spätere Untersuchungen und Forschungen unversehrt bleiben mußten.«
Sinead übernahm das Kommando. Sie führte ihr die Technik vor, die richtige Schnitte anzubringen und die Felle und Häute zurückzustreifen, um schließlich das Bindegewebe zu zertrennen und die Kadaver gänzlich aus der Decke zu schlagen. »Wenn man die Häute beschädigt, vergeudet man einen Teil des Geschenks, das die Tiere einem gemacht haben, deshalb sollte man es richtig tun. Mit einem scharfen Messer geht es leichter.« Sie half Yana dabei, ihren Anteil der Beute abzuhäuten, und sah so lange zu, bis sie sich davon überzeugt hatte, daß Yana die Prozedur begriffen hatte. Yana machte ihrerseits die Feststellung, daß ihr das Abhäuten sehr viel leichter von der Hand ging als das Kochen.
Sinead zeigte zu den Dachbalken hoch. »Wenn Sie ihren Fang hier oben über der Veranda aufhängen, kommt nichts anderes dran. Ich werde Ihnen Ihren Anteil von dem Rentier bringen, sobald wir es zerteilt haben. Und das Fell. Das brauchen Sie dringender als wir.«
Begleitet von Yanas überschwenglichem Dank, machten Sinead und ihre Hunde sich auf den Heimweg zu der Hütte, die sie sich mit Aisling teilte.
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9. KAPITEL
Eine Woche später bemerkte Yana ungewöhnliche Aktivitäten in der Versammlungshalle von Kilcoole. Als sie sich dort hinbegab, um nachzusehen, schickte die lachende Clodagh, die damit beschäftigt war, alle verfügbaren Leute einzuteilen, sie gleich an die Arbeit. Bis zum Mittag war alles sauber ausgefegt, war der Boden geputzt, hatte man die auf Schrägen gestellten Tische aufgebaut und die Stühle an den Wänden aufgestellt. Das Podest für die Sänger und Musiker war errichtet, und die beiden Feuerstellen und der große Kanonenofen verströmten ihre Hitze. Die Wett-Tafel hing an ihren vertrauten Haken, nachdem man die Daten und Doppelstundenmarkierungen neu eingetragen hatte, damit die Leute ihre Wetteinsätze tätigen konnten, wobei es darum ging, den Tag und die ungefähre Stunde
vorauszusagen, da das Wintereis im Frühling brechen würde.
Der riesige Latchkay-Eintopfkessel stand auf seinem Brenner, und jedesmal, wenn der Dampf den Deckel kurz anhob, verbreitete er einen köstlichen Duft. Die große Kaffeekanne war bereit, die Becher waren aufgereiht, und irgend jemand hatte einen ganzen Eimer voll Süßstoff spendiert. Bald würden die Kuchen und Pasteten und anderen Backwaren eintreffen.
Nachdem der Saal bereit war, kehrte Yana eilig in ihre Hütte zurück, um ihren anderen Haushaltspflichten nachzukommen und die warme Mahlzeit zuzubereiten. Bunny hatte ein Bohnengericht vorgeschlagen, wahrscheinlich weil es narrensicher war, wie Yana argwöhnte. Doch Yana, die das Gefühl hatte, mit ihren Kochlektionen ganz ordentliche Fortschritte zu machen, würzte sie nicht nur mit dem von Bunny vorgeschlagenen Pfeffer, sondern war so kühn, auch Knoblauch hineinzugeben. Schließlich warf sie noch eine Handvoll getrocknete Tomaten und spanischen Pfeffer hinein, was den unscheinbaren Bohnen ein etwas farbenfrohes Aussehen verlieh.
Yana hatte die Bohnen gerade vom Herd gestellt, als Aisling und Sinead zu ihrer Überraschung mit den fertigen Blusen bei ihr aufkreuzten. Die Bluse paßte Yana wie
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