Das Herz des Highlanders: Roman (German Edition)
Wahrscheinlich war Grace nur deswegen nicht ebenso paranoid wie Jonathan, weil sie die letzten vier Wochen voller Trauer und Arbeit mit dem Baby verbracht hatte.
Und das war auch so eine Sache.
Jonathan lehnte das Baby ab. Er erwartete, dass sie zum Telefon ging, das Baby rasch einem Fremden übergab und sich danach wie gewöhnlich ihrer Arbeit widmete.
Einmal war während ihrer Verabredungen das Gespräch auf das Thema Kinder gekommen, und Jonathan hatte lässig angedeutet, dass sie beide zusammen natürlich ein phantastisches Baby erzeugen würden, ein Kind mit genetischen Voraussetzungen, die ihm ohne Zweifel hohe Intelligenz sichern würden.
Damals war Grace fasziniert gewesen, dass Jonathan sich solche Dinge über ihre gemeinsame Zukunft vorstellte. Jetzt allerdings fragte sie sich, ob der Mann sich nur mit ihr traf, weil sie Wissenschaftlerin war oder weil sie über solche Gene verfügte. Er war womöglich offen für den Gedanken, ein eigenes, sorgfältig geplantes Kind zu bekommen, aber mit einem fremden Kind wollte er ganz sicher nichts zu tun haben.
Auch darüber würde sie in den kommenden vier Monaten nachdenken müssen.
»Er hat Sie wieder angespuckt«, sagte Emma und unterbrach damit Graces Gedankengang. »Jetzt läuft es hinten über die Schulter.«
Emma warf ein Handtuch über Graces Schulter und nahm ihr das Baby ab. »Sie müssen sanfter mit dem Kleinen umgehen«, sagte sie und begleitete ihre Kritik mit einem Lächeln. »Gehen Sie so mit ihm um wie mit Ihrem Laptop: Festhalten, aber nicht zu sehr schütteln.«
Grace wischte sich die Babynahrung vom Pulli und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Sie warf das schmutzige Handtuch quer durchs Zimmer, wobei sie auf den Korb mit der schmutzigen Wäsche zielte. Sie traf daneben. »Aus mir wird nie eine gute Mutter, Emma. Ich krieg’s irgendwie nicht hin.«
Grace pustete sich die Haare von der Wange und schob sie mit der Hand hinters Ohr. »Wenn es darum geht, Atome
zu spalten oder Raketen ins All zu schießen, habe ich so viel Selbstvertrauen, wie ein Mensch sich nur wünschen kann.« Sie deutete auf das Baby. »Aber ihn kann ich nicht mal anziehen, ohne dass noch Knöpfe übrig sind, wenn ich bei seinem Hals ankomme. Und dem Klebestreifen an den Windeln bin ich auch nicht gewachsen. Wenn ich den Kleinen ausziehe, ist er immer nackt unter den Stramplern.«
Emma lachte herzlich. Sie legte das Baby auf den Wickeltisch und begann, ihm seine Reisekleidung anzuziehen. Grace stand auf und kam näher, um zuzusehen.
»Sind Sie sicher, dass er nicht zu klein ist, um zu reisen?«, fragte sie über Emmas Schulter, fasziniert von der geschickten Leichtigkeit, mit der die Frau hantierte.
»Bestimmt. Der ist doch stark wie ein Ochse. Und der Doktor hat es Ihnen auch erlaubt.« Sie sah zu Grace auf. »Glauben Sie mir, Dr. Brown würde ihn bestimmt nicht gehen lassen, wenn er irgendwelche Zweifel hätte. Hier, wiegen Sie ihn in den Schlaf, ich packe seine restlichen Sachen ein.« Sie ging hinüber zu ihrer Handtasche und holte ein Buch heraus. »Wo ist Ihr Handgepäck?«, fragte sie. »Ich habe Ihnen etwas mitgebracht, das Sie unterwegs lesen können.«
»Was denn?«, fragte Grace,
»Ein Buch über Babys«, sagte Emma und hielt es hoch, damit Grace es sehen konnte. »Von zwei Frauen geschrieben, die wissen, was sie sagen. Zusammen haben sie acht Kinder.« Sie steckte das Buch in die Tasche, die an der Tür zum Flur hing.
»Sie schicken mich also mit einer Gebrauchsanleitung auf den Weg?«, fragte Grace, aber das Lachen fiel ihr schwer bei dem Kloß, den sie im Hals hatte.
Emma richtete sich auf und sah Grace in die Augen. »Verlassen Sie sich immer zuerst auf Ihre Instinkte, Grace. Wenn Sie glauben, dass irgendwas nicht in Ordnung ist, bringen Sie das Baby zu einem Arzt. Normalerweise kommt man mit gesundem
Menschenverstand am weitesten. Und wenn Sie Zweifel haben, schauen Sie in diesem Buch nach oder rufen Sie mich an.«
Grace blinzelte die Tränen weg, die ihr Blickfeld verschwimmen ließen. Sie kannte Emma erst seit vier Wochen, und schon jetzt war sie ihr mehr Mutter als jede andere Frau, die sie in den letzten neun Jahren gekannt hatte.
»Danke, Emma, für alles«, flüsterte sie heiser.
Emma wandte den Blick ab und sah auf die Uhr. Grace sah trotzdem, wie sie rot wurde.
»Ich bring die Sachen jetzt raus zum Auto und sehe nach, ob der Sitz richtig angebracht ist«, lenkte Emma ab und griff nach der Tasche. »Sie werden Ihren Flug versäumen, wenn
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