Das Herz des Highlanders: Roman (German Edition)
Möglichkeiten mit ihr diskutiert und ihr die Würde gelassen, kämpfend unterzugehen. Er hatte nicht einmal versucht, die Lage ganz unter seine Kontrolle zu bringen. Und sie wusste ohne jeden Zweifel, dass er mit ihr gestorben wäre, wenn sie sich dagegen gewehrt hätte, alleine hier zu bleiben.
Heute hatten sie ein Band zwischen sich geknüpft, von dem sie nicht einmal gewusst hatte, dass es etwas Derartiges zwischen zwei Menschen geben könnte. Zusammen kämpften sie um ihr Überleben, und sie würden gewinnen.
Sie war in einer Schneehöhle eingegraben wie ein Bär im Winterschlaf, aber Grey würde zurückkommen und sie holen. Davon war sie fest überzeugt.
Aber sie war auch nicht dumm. Sie wusste natürlich, dass ihm alles Mögliche auf dem Weg den Berg hinunter zustoßen konnte, und dass es keine Garantie gab, dass er rechtzeitig wieder hier sein würde. Also würde sie ihr Textverarbeitungsprogramm
aufrufen und ihren letzten Willen und ihr Testament aufsetzen.
Und einen Brief an Michael MacBain würde sie schreiben.
Sie war der einzige lebende Mensch auf der Welt, der wusste, wer der Vater des Babys war. Sie konnte nicht das Ende ihres Lebens vor Augen haben, ohne die Wahrheit zu hinterlassen.
KAPITEL 6
D er alte Zauberer öffnete die Tür, trat hinaus und achtete nicht auf die scharfen Eisstückchen, die der Wind gegen sein Gesicht trieb, als er hinaufspähte zum TarStone, der in finsterem Schweigen lag. Er konnte nicht weiter sehen als bis zum Ende der Lichtung, auf der seine Hütte stand, doch er spürte die elementare Gegenwart des Berges.
Er spürte ebenso, dass irgendetwas nicht stimmte.
Der Eisregen war ungewöhnlich leise gekommen und über den Ostkamm heruntergekrochen wie ein Raubtier. Der Regen hatte gestern Morgen begonnen und zuerst ausgesehen wie dichter Dunst, der sich als Raureif auf alles legte, das er berührte. Bis zum Nachmittag war es dann ein stetiger Regen geworden, der langsam, aber sicher die Welt mit einer glänzenden Eisschicht bedeckte. Und jetzt, weit nach Mitternacht, lag das schwere Eis schon einen Zentimeter dick auf allem, wie ein Grabtuch.
Daar zog den Kragen seines rotkarierten wollenen Mackinaw-Mantels hoch bis zu seinem kurz geschnittenen, weißen Bart. Die Petroleumlampe, die er gestern Abend angezündet, vor seinem Eingang aufgehängt und schon dreimal nachgefüllt hatte, begann schon wieder dunkler zu werden, weil ihr der Brennstoff fehlte. Er hob sie von dem Nagel über der Tür und trug sie zum Nachfüllen ins Haus. Dabei war sein Gefühl des Unheils stärker als je zuvor.
Irgendetwas stimmte nicht auf dem Berg.
Es war ihm nicht gelungen, dieses Gefühl der zunehmenden Bedrohung abzuschütteln. Seit dem vergangenen Abend hatte
er weder geschlafen noch gegessen, sondern war wach geblieben, hatte die Lampen nachgefüllt und war auf der Veranda vor seinem Haus auf und ab gegangen, bis die Kälte ihn wieder zurück zum Feuer getrieben hatte.
Er schüttete sein letztes Petroleum in die Lampe und nahm sich vor, Grey darum zu bitten, ihm Nachschub mitzubringen. Er hatte zwar noch Kerzen, und der alte, aus Fluss-Steinen gebaute Kamin spendete ebenfalls etwas Licht, doch ihm gefiel das helle Leuchten der Petroleumlampen.
Daar hielt plötzlich beim Aufsetzen des gläsernen Lampenzylinders inne und wandte sich der Tür zu. Sein Dringlichkeitsgefühl war noch stärker geworden. Was immer dort draußen auf dem Berg war, kam langsam näher.
Er nahm die Lampe, trug sie zurück hinaus auf die Veranda und hängte sie erneut an den Nagel der Seitenwand der Hütte. Gestützt auf seinen kräftigen, knorrigen Stock ging er ans Ende der aus dicken Balken gebauten Veranda und schaute hinaus zum TarStone. Infolge des intensiven Vorgefühls richteten sich die Härchen in seinem Nacken auf. Dringlichkeit, Verzweiflung und Angst kamen mit gnadenlosem Tempo auf ihn zu. Und die Energie, die dieser Bewegung voranging, war so stark, dass Daar einen Schritt zurücktrat.
Der Lärm brach wie Kanonendonner in seine Lichtung ein. Schritte, die mit mächtiger Kraft durch die Eiskruste stapften, krachten lauter als die knackenden Zweige und Äste. Ohne zu stoppen sprang Greylen MacKeage, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe herauf und rannte an dem Priester vorüber, ohne ihn zu sehen. »Daar!«, brüllte er in die leere Hütte, stürzte hinein und riss sich die Jacke herunter, noch bevor Daar überhaupt durch die Tür war.
»Hier bin ich«, sagte er ruhig und trat hinter Grey in die
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