Das Herz des Highlanders: Roman (German Edition)
wütend gewesen, weil er sich in einer Lage befand, die er nicht unter Kontrolle hatte. Hätte er ein Ziel für seinen Ärger gefunden, und da war sich Daar sicher, dann stände er heute nicht hier. Der Mann konnte auf eine Weise zornig sein, die kein vernünftiger Mensch – halb unsterblich oder nicht – gern auf sich gerichtet haben wollte.
Der alte Zauberer beobachtete den angespannten Krieger, der jetzt noch ein Glas Wasser hinunterschüttete. Diese Frau, diese Grace Sutter, bedeutete Grey etwas.
Mit einem Mal wurde Daar aufgeregt. Könnte es sein, dass er endlich der Mutter seines Nachfolgers begegnen würde?
Er schaute auf das Kind in seinen Armen hinunter. Das Baby stellte allerdings ein Problem dar. Die Frau, um derentwillen Grey so weit hatte reisen müssen, sollte eigentlich nicht schon Mutter sein.
»Ich gehe«, sagte Grey und machte sich auf den Weg zur Tür. »Wenn ich Grace geholt habe, bringe ich sie zuerst hierher zum Aufwärmen. Kümmere dich um den Kleinen und sieh zu, dass das Feuer kräftig brennt. Und halte den Eintopf warm.«
»Warte. Du hast deine Jacke vergessen.«
»Die brauche ich nicht, in der schwitze ich zu sehr. Ich hatte sie nur wegen des Kleinen anbehalten.«
Daar starrte ihn an. »Du genießt wohl diese Herausforderung«, sagte er.
»Tue ich nicht«, erwiderte Grey heftig und drehte sich zu ihm um. »Meine Gefährtin ist da oben auf dem Berg und stirbt.«
Daar hob seine Hand. »Und du wirst sie retten. Aber du bist in deinen Methoden zu deinen alten Kriegersitten zurückgekehrt, rennst halb nackt durch einen gefrorenen Wald und belastest dich über jedes Maß hinaus. Das Einzige, was dir fehlt, ist die Kriegsbemalung.«
Grey funkelte ihn an.
Daar deutete mit seinem vom Alter verknorpelten Finger direkt auf Grey. »Du bist lebendiger, als ich dich je in den letzten vier Jahren erlebt habe.«
Der Krieger stieß einen derart lästerlichen gälischen Fluch aus, dass der eigentlich die Hütte hätte in Brand setzen müssen.
Daar lachte so sehr, dass ihm Tränen in die Augen traten. »Du wirst in der Hölle schmoren, weil du einen Priester angeflucht hast, MacKeage!«, rief er hinter Greys verschwindendem Rücken her. »Geh und rette deine Frau. Und bring sie her, damit ich sie kennen lernen kann.«
Er sprach mit sich selbst. Grey hörte das nicht mehr. Er rannte schon in Richtung Gu Brath. Daar wischte sich die Lachtränen aus den Augen und betrachtete das Kind, das jetzt schlief. Sanft zog er ihm den nicht mehr nötigen Sauger aus dem Mund.
Er war ein hübscher kleiner Kerl. Und noch sehr klein. Er wog weniger als Daars Kirschholz-Stab. Der alte Priester lächelte. Grey hatte das große Handtuch dem Baby um das Hinterteil gewickelt und von da aus über seine Brust wie einen schottischen Plaid. Nur seine Ärmchen, seine Beinchen und eine Schulter waren unbedeckt.
Und genau in diesem Moment entdeckte Daar etwas, was ihn sehr beunruhigte.
Grace Sutters Sohn hatte zwölf Zehen.
Sie hätten sie beinah nicht gefunden, weil die Sicht so schlecht war. Grey hatte die Tür der Schneeraupe geöffnet, bevor das Fahrzeug zum Stehen kam. Er rannte zu der riesigen Fichte und zog die harten, steif gefrorenen Kleider herunter, versuchte sich zu orientieren. Die Eiskruste war jetzt so dick, dass er nicht mehr einsank, sie hielt sein beträchtliches Gewicht . Er ging zehn Schritte weiter Richtung Norden.
Er sah nichts als glattes, weißes Eis.
»Hast du nicht gesagt, du hättest sie in einer Schneehöhle zurückgelassen?«, fragte Morgan, der neben ihn trat.
»Hier«, sagte Grey und deutete auf die Stelle, wo der Eingang hätte sein sollen. »Genau hier in dieser Schneewehe.«
»Es war dunkel«, erinnerte ihn Callum und stellte sich neben die beiden anderen Männer. Er hatte eine Axt in der Hand.
Grey war froh, dass wenigstens einer von ihnen klar denken konnte. Er nahm Callum die Axt ab und begann, die Eiskruste entlang der Schneewehe aufzuschlagen. Jetzt, bei Tageslicht, konnte er trotz des nach wie vor fallenden Eisregens erkennen, dass die Schneewehe mindestens sechs Meter breit war und unter einem Fels-Vorsprung entlanglief. Er befahl seinen Männern zu schweigen und horchte auf das dumpfe Geräusch der Axt.
Noch nie in seinem Leben hatte er so viel Angst gehabt wie jetzt. Nicht einmal vor vier Jahren, als das Gewitter sie alle durch die Hölle geschleudert hatte. Damals hatte sein einziges Interesse seinem eigenen Überleben gegolten. Wenn er gestorben wäre, hätte er
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