Das Herz des Highlanders: Roman (German Edition)
die Augen der Frau, die über siebzig sein musste, sich mit Tränen füllten. »Ich kann es einfach nicht glauben«, sagte sie und schüttelte den Kopf. »Mary ist tot. Wann ist das passiert?«
Grace seufzte tief und setzte sich ihr gegenüber an den Tisch. Jetzt musste sie erneut Lügen verbreiten.
»Vor sechs Wochen«, erklärte sie also. »Sie hatte einen Autounfall.«
»War sie bei dir zu Besuch? Wo? In Virginia, oder?«
»Ja. Sie kam zu mir, weil ich sie darum gebeten hatte. Ich war schwanger und wollte sie gern bei mir haben.«
Mavis’ Augen weiteten sich zur Größe von Untertassen. »Schwanger?«, quiekte sie und schaute auf Graces Bauch.
Grace nickte in Richtung Wohnzimmer. »Vor vier Wochen habe ich einen Sohn bekommen«, erklärte sie ihr.
»Ach, du armes Kind«, jammerte Mavis, stand auf und zog Grace von ihrem Stuhl, damit sie sie noch einmal umarmen konnte. »Ausgerechnet jetzt deine Schwester zu verlieren, wo dies doch eigentlich die glücklichste Zeit deines Lebens sein sollte.«
Grace erwiderte die Umarmung, und in ihre Augen traten Tränen. Sie war froh, dass Mavis heute gekommen war, selbst wenn sie sie zum Weinen brachte. Mavis ließ sie los und machte sich unverzüglich auf den Weg ins Wohnzimmer.
»Grace Sutter, du hast dieses Kind in eine Apfelkiste gelegt«, sagte sie vorwurfsvoll. »Warum ist der Kleine nicht in seiner Wiege?«
»Die habe ich eben erst vom Dachboden geschleppt«, erklärte Grace und ging ebenfalls, von Peter gefolgt, ins Wohnzimmer. »Ich hatte ganz vergessen, dass es sie noch gab. Der Wickeltisch und Kleidung sind noch oben. Die werde ich später herunterholen. Ich habe die Wiege gerade sauber gemacht, will sie aber noch richtig austrocknen lassen.«
»Ein Junge also? Wie heißt er denn?«, fragte Mavis leise und betrachtete das schlafende Kind.
Grace schloss die brennenden Augen. Sie mochte diese Leute und hasste es, ihnen Lügen zu erzählen.
»Im Moment nenne ich ihn einfach nur ›Baby‹«, erklärte sie. »Ich konnte mich noch für keinen Namen entscheiden. Nach der Sache mit Mary und überhaupt wollte ich lieber noch etwas warten. Ich möchte, dass der Name genau zu ihm passt.«
Grace öffnete die Augen gerade rechtzeitig, um erneut in Mavis’ Umarmung zu versinken.
»Das ist doch nicht schlimm, Liebes. Niemand verlangt von dir, dass du ihm sofort einen Namen geben musst.« Sie lächelte Grace an. »Ich glaube, dass du völlig Recht hast, wenn du dir den Namen des Babys reiflich überlegst. Mir hat es schon nach zwei Monaten Leid getan, wie wir unseren ersten Sohn genannt hatten. Preston Potts hat nie zu dem Jungen gepasst.« Sie ging, immer noch lächelnd, in Richtung Treppe. »Er ist irgendwann hineingewachsen, aber eine schöne Kindheit hatte er mit dem Namen nicht. Die anderen Kinder haben ihn ständig mit ›Prissy Potts‹ gehänselt. Wo ist dein Mann, Grace? Ich kann es kaum erwarten, ihn kennen zu lernen.«
»Ich habe keinen Mann«, erklärte sie ihr, wobei ihr die Worte fast im Hals stecken geblieben wären.
Mavis wurde rot. »Oh … ich … äh … Das tut mir Leid.« Sie fuhr mit der Hand durch die Luft, als wische sie ihre Worte weg. »Kein Problem, Liebes. Bedeutet das, dass der Vater des Babys keine Rolle mehr für dich spielt?«
»Ja, so ungefähr«, murmelte Grace und wandte sich ab, um angelegentlich die Bettdecke des Babys glatt zu streichen. Sie drehte sich wieder zu Mavis und lächelte ihr etwas gezwungen zu. »Aber ich kann damit leben. Dem Kleinen und mir wird es sicher auch so gut gehen.«
Mavis nickte. »Wenn du damit zufrieden bist, sind wir es auch, Komm, Peter, wir holen die Sachen für Grace herunter.«
Grace rannte hinter Mavis her, die für ihr Alter erstaunlich fix war. »Das ist nicht nötig. Ich schaffe es schon allein.«
»Unsinn. Du hast erst kürzlich ein Kind bekommen. Du solltest nichts heben, was schwerer ist als dein Kind«, sagte Mavis und verschwand die Treppe hinauf.
Bevor Peter ihr folgte, zwinkerte er Grace zu. »Leg dich besser nicht mit ihr an«, empfahl er. »Nicht, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat. Keine Sorge, wir werden nicht lange bleiben, Grace. Wir wollen noch bei den Merricks und den Colburns vorbeischauen und sehen, ob bei ihnen alles in Ordnung ist.«
»Ihr seid mir jederzeit willkommen, Peter«, versicherte sie, weil sie nicht wollte, dass er sie für undankbar hielt.
Er legte ihr eine für sein Alter immer noch kräftige Hand auf die Schulter. »Ich weiß, Liebes. Als
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