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Das Herz des Menschen: Roman (German Edition)

Das Herz des Menschen: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz des Menschen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jón Kalman Stefánsson
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eine Kette von Flüchen aus.
    Hier sind zwei Flachköpfe, die sich ins Dorf übersetzen lassen wollen, ruft das Gesicht nach drinnen.
    Ja, leck mich, was geht uns denn das an!, schreit die erste Stimme zurück. Sag ihnen, sie sollen bloß die Fresse halten und sich verpissen.
    Wir bezahlen auch dafür, sagt Snorri. Er mag als Kaufmann gescheitert sein, aber er kennt noch das Zauberwort und zieht eine Münze hervor.
    Wartet auf mich, sagt das Gesicht, nachdem es abwechselnd das Geld und den Jungen angesehen hat. Und haltet bloß euer Maul!
    Fünf Minuten später ist das Gesicht zu einem kleinen Mann mit farblosem, verklebtem Haar und Augen geworden, die sie mustern und im selben Moment wieder ausweichen. Klein, aber mit Kraft in den Schultern. Im Handumdrehen schieben er und der Junge das Boot ins Wasser. Snorri hebt hilflos die Arme, weiß nicht, wo er mit anpacken soll, aber er bekommt schnell eine Aufgabe, als der Mann die Hand ausstreckt.
    Zahlen, sagt er.
    Der Junge setzt sich wortlos neben den Mann, sie rudern. Snorri nimmt im Heck Platz. Nachdem er gezahlt hat, ist er zu nichts weiter zu gebrauchen. Er betrachtet die Berge, beobachtet einen Vogel, der nach Beute taucht, nach Essbarem, aber nicht nach dem Glück, denkt Snorri, nicht nach dem Glück. Sie sind schon weit auf den Fjord hinausgerudert. Der schlecht gelaunte Fischer hisst das Segel, sie segeln, er steuert, kaut Tabak dabei und spuckt eine rote Soße aus, als würde er langsam ausbluten.
    Wo kommt ihr eigentlich her, verdammt?, fragt er leicht angewidert. Muss man euch kennen?
    Ich denke schon, behauptet Snorri, sieht zu, wie die Ortschaft näher kommt, sich die einzelnen Häuser voneinander abheben, und erklärt dann, er sei Snorri, der bankrottgegangene Kaufmann, unterwegs in den Ort, um sich eine Orgel für das Hotel anzusehen, das Hotel Weltende .
    Eine Orgel, spuckt der Mann verächtlich aus. Was für eine wichtige Angelegenheit! Du bist wohl kaum ein pleitegegangener Kaufmann?, fragt er den Jungen wenig später, als er sich mit frischem Tabak versorgt hat und kräftig darauf herumkaut.
    Nein, sagt der Junge.
    Aber einen Namen wirst du doch haben.
    Kaum, erwidert der Junge, nennt dann aber doch seinen Namen, und der Fischer kaut weiter. Roter Saft läuft ihm die Mundwinkel herab, er wischt ihn schnell mit dem Handrücken weg und verschmiert ihn so über die linke Backe.
    Bist du vielleicht der, der bei den alten Weibern und dem Blinden wohnt?
    Ich wohne bei keinen alten Weibern, sondern bei Frauen.
    Eine Fotze haben sie alle, sagt der Mann. Als der Junge darauf nichts erwidert, sondern nur den Blick gesenkt hält, fährt er fort: Dein Freund ist doch wegen eines Gedichts erfroren.
    Sie blicken sich schnell in die Augen, der Junge fühlt etwas, dann ist es vorbei.
    Du bist eben berühmt, sagt der Mann schließlich und steuert.
    Und wie ist dein werter Name?, erkundigt sich Snorri höflich.
    Ich? Wie ich heiße? Pah, ich heiße Dreckskerl Jötnason, sagt der Mann schnell und hält für den Rest der Fahrt den Mund, verabschiedet sich nicht einmal, als sie am Strand unterhalb des Ortes aus dem Boot springen.
    Das Hotel ist das Haus mit den grünen Türen, sagt er bloß und wendet.
    Ein freies Zimmer gibt es noch, eins von zehn. Hier gibt’s genug zu tun, sagt der Mann am Empfang, groß, dürr und krumm, als könne sein Körper die Länge nicht tragen und verbiege sich unter ihr. Drei Zimmer sind mit Patienten von einem amerikanischen Heilbuttfänger belegt, zwei haben eine schwere Grippe, der Dritte ist durch eine Schlägerei übel zugerichtet. Die gehen mit breiten Messern aufeinander los, sagt der Lange ganz dicht vor dem Jungen, und dabei hat er einen solchen Mundgeruch, dass der Junge die Luft anhalten muss. Der Mann zeigt mit dem Finger nach oben, und da hören sie ein Stöhnen, als könnte er es mit den Fingern ein-und ausschalten.
    Ich hoffe nur, er macht es noch ein paar Tage, die Amerikaner zahlen verdammt gut. Einer von euch muss übrigens auf dem Fußboden schlafen. Dazu seid ihr euch doch wohl nicht zu fein?
    Nein, sagt der Junge, dazu ist er sich keinesfalls zu fein. Dann machen sie sich auf, ihre Aufträge zu erledigen, Snorri will die Orgel inspizieren, der Junge den Brief beim Kaufmann abliefern, in dem es um Macht und Geld geht, um schlimme Dinge also, denn wie es in einem Gedicht heißt: »Zwei Pole kennt die Hölle / der eine heißt Macht, der andere Geld.«
    Eine Weile stehen sie noch draußen und beobachten drei amerikanische

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