Das Herz des Menschen: Roman (German Edition)
Ambitionen auf Snorris Laden?, fragt Jón, er muss das fragen, hat den Auftrag, das zu fragen. Friðrik sieht ihn an, raucht, der Regen trommelt gegen das Haus, es ist ein Abend im Juni.
Anfang Juni – und trotzdem dämmerig zwischen den Bergen. Bedeckt und stürmisch. Der Wind nimmt zu, die Trockenfischstapel sind sorgsam verschnürt. Es ist kaum noch jemand unterwegs bei diesem Tosen, dabei hat der Tag so schön angefangen, die Luft war voller Sonne und blauer Aussichten auf stilles, ruhiges Wetter, Vogelgezwitscher war von weit her zu vernehmen, nichts trübte die klare, durchsichtige und unbewegte Luft. Fliegen brummten über Gras und Blumen, der trocknende Fisch bedeckte die Landzunge und die Verarbeitungsplätze, in den Bergen war es schon an vielen Stellen schön grün geworden. Unten im Ort war alles in Bewegung, es wurde geschrien und gerufen, gelacht und geflucht, und die Hände regten sich. Lúlli und Oddur wüteten wie die Berserker im Laderaum eines Schiffs, dessen Kapitän mit Geirþrúður davongeritten war. Ich könnte dieses Land lieben, sagte er.
Sie ritten hinauf auf die Heide, hinab in den nächsten Fjord und in ein grasbewachsenes unbewohntes Tal.
Hier kann man sich gut verstecken, sagte Geirþrúður.
Er sah sie lange an und wiederholte, er könne sich vorstellen, dieses Land zu lieben. Es wurde alles grün, es herrschte Windstille zwischen den Bülten und Halmen und zwischen den Bergen, die Sonnenschein tankten und leuchteten. An solchen Tagen scheint es möglich, dass Vogelgesang unsere inneren Wunden heilt. Sie fanden eine Mulde und lagen dort lange im Gras; wer im isländischen Sommer eine solche Mulde findet, kann sich nicht beschweren, ihn erwartet Glückseligkeit, das heißt, wenn ihn die Fliegen in Ruhe lassen. Die Halme wiegten sich fast unmerklich wie eine Reihe würdevoller Honoratioren, und der Gesang der Vögel heilte Wunden.
Ich könnte ganz leicht dieses Land lieben, sagte der Kapitän und fügte hinzu: Ich könnte dich ganz leicht lieben.
Männer sagen die unglaublichsten Dinge, bevor sie die Gelegenheit bekommen, ihre Gier zu befriedigen, oder auch währenddessen; was ist nicht alles geflüstert worden, atemlose, kurze Sätze, heiligste Versprechungen, die sich als sehr profan und kaum der Rede wert erweisen, sobald alles erledigt und der Höhepunkt vorbei ist, das Glied nicht mehr zitternd vor Erregung und Lebensgier aufgereckt steht, sondern wie ein schlaffer Hautlappen zwischen den Beinen baumelt. Über den Punkt waren sie aber schon hinaus, als er behauptete, sie lieben zu können. Sie hatten sich ins Gras geworfen und sich fast die Kleider vom Leib gerissen, die im Weg waren, es war ungehemmte Leidenschaft, ungezügelte, wütende Gier, der Himmel sah es, die Grashalme bekamen es zu spüren, die Berge hörten es, und die Vögel in der Umgebung wurden scheu. Sie führten sich auf wie wilde Tiere, sie waren schön, und jetzt waren sie fertig. Sie rauchten, tranken aus einer Taschenflasche, betrachteten Grashalme, Himmel, Berge und Vögel, und der Kapitän sagte, er könne sie lieben.
Er lag mit dem Kopf in ihrem Schoß, und sie strich ihm die Haare aus der Stirn, aus den Augen, diesen klaren Augen, aus diesem kräftigen, schönen Gesicht, strich über die Lippen, die so gut zu küssen und Worte zu sagen wussten, die guttaten.
Ich weiß, sagte sie.
Du könntest mich lieben, sagte er, fragte er, bat er.
Eine verliebte Frau ist wehrlos, sagte sie, und das darf ich mir nicht leisten. Außerdem bist du verheiratet, du liebst deine Frau, tu es weiterhin.
Bist du etwa böse?
Nein, aber das Leben kann so leicht böse sein.
Da wurde er traurig, ein bisschen wie ein Kind, dieser große Fremde, Kapitän über ein recht großes Segelschiff, dessen Ladung Lúlli und Oddur löschten, während er, der Kapitän, unter einem blauen Himmel mit Geirþrúður im Gras lag.
Hast du sie in den Arm nehmen dürfen?, fragte Lúlli zum wiederholten Mal und musste in seinen Freund dringen, um eine Antwort zu bekommen, und endlich antwortete Oddur, er lächelte.
Kann ein Mann zwei Frauen lieben?, fragte der Kapitän.
Ich denke schon, sagte sie mit ihren langen Fingern in seinem dichten Haar. Vielleicht noch mehr als zwei, wenn jeweils ein Ozean zwischen ihnen liegt. Und du kennst mich nicht, John, ich bin eine Abwechslung in deinem Leben, ein kleines Abenteuer auf großer Fahrt, ein kleines, dunkelhaariges Abenteuer, das hier am Ende der Welt auf dich wartet zwischen Bergen so hoch, dass
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