Das Herz des Ritters
Königs und eine liebende Verwandtschaft gab, wartete auf ihn, und es durfte sie einfach nicht mit Gram erfüllen, dass er eines Tages in diese andere, fremde Welt zurückkehren würde. »Es ist sicher wundervoll«, sagte sie mit sehnsüchtigem Ton. »Gewiss kannst du deine Rückkehr kaum erwarten.«
»Oh, so eilig habe ich es nicht, Mylady.« Er zuckte lässig mit den Schultern, sein Blick hingegen ruhte eindringlich auf ihr. Aufmerksam musterte er sie. »England hat gewiss seine Vorzüge, allerdings gibt es dort kein
Schatrandsch
.«
Zahirah lächelte. »Dieses Ärgernis lässt sich leicht beheben. Erst kürzlich habe ich im Souk einen Händler entdeckt, der ein schönes Brett feilbot, mit Figuren aus Elfenbein und …«
»Und dich gibt es dort auch nicht.«
Zuerst glaubte sie, sie habe sich verhört. Wie erstarrt saß sie ihm gegenüber, zu nichts anderem fähig, als fassungslos seine ernste Miene zu betrachten, während sich ihr Herz schmerzhaft zusammenzog, als habe man ihm Fesseln angelegt. »Ich? Mylord, ich …« Die Stimme versagte ihr.
»Komm mit mir«, bat er. »Wenn dieser Krieg vorüber ist und Gott mich hat überleben lassen, dann möchte ich dich mit mir nach England nehmen. In mein Heim nach Montborne.«
Überrascht und beschämt über dieses überwältigende Geschenk und bekümmert, weil sie es nicht annehmen konnte, schüttelte Zahirah langsam den Kopf und schlang die Arme um ihren Bauch, in dem sich plötzlich ein kalter, harter Klumpen befand. »Sebastian, ich … ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
»Sag, dass du mit mir kommst.« Er streckte die Hand aus und hob ihr Gesicht sanft an, sodass sie ihn anblicken musste. »Hab Mitleid mit meinem Stolz und sag, dass du es dir zumindest überlegen wirst.«
Zahirah musste trotz der Last, die ihr das Herz schwermachte, lächeln. »Oh, Sebastian«, flüsterte sie. »Du ahnst nicht, wie viel mir dein Wunsch bedeutet. Dass du mich so sehr schätzt …«
»Ich schätze dich mehr als mein Leben, Mylady. Ich bitte dich, weil ich dich liebe.«
»Und ich liebe dich«, sagte sie mit belegter Stimme. »Ich liebe dich, Sebastian … so sehr.«
»Nun, das reicht mir für den Anfang«, erwiderte er lachend. Dann beugte er sich vor und küsste sie.
Zahirah schloss die Augen und wünschte sich Dinge, die sie nie besitzen konnte, Dinge, die sie nie erleben würde. In dem Moment, in dem sie ihn küsste, seine starken Arme um sich spürte, konnte sie sich fast glauben machen, dass sie eines Tages ein neues Leben mit ihm anfangen könnte – weit entfernt von dem Leid und der Gewalt, die es in ihrem Heimatland gab. Sie konnte sich fast davon überzeugen, dass sie einen Weg finden würden, um zusammenzubleiben.
In der Geborgenheit von Sebastians Umarmung konnte sie sich leicht einbilden, dass ihre Liebe stärker war als die Macht eines Raschid ad-Din Sinan. Eine solche Haltung aber war gefährlich, denn sie konnte Sebastian den Tod bringen, und das wollte sie verhindern. Sie wollte ihn um jeden Preis beschützen, selbst wenn sie dadurch letztendlich seine Liebe verlieren würde.
»Ich muss gehen«, sagte sie und löste sich aus seiner Umarmung, ehe sie die Kraft dafür verließ.
Er hob eine Braue. »Du willst so kurz vor Ende des Spiels gehen? Bisher hast du auf mich nicht wie eine Frau gewirkt, die vor einer Herausforderung kneift, Mylady.«
»Es ist Freitag«, erklärte sie und drückte ihre Stirn an die seine. »Der dritte Ruf wird bald ertönen und dann muss ich mich wirklich meinen Gebeten widmen.«
Es war ein Vorwand, einer, den er nicht infrage stellte. Theatralisch protestierend ließ er sie los. »Wir werden unser Spiel – und Gespräch – heute Abend fortsetzen?«
Zahirah nickte knapp. Er richtete sich auf und half ihr, das
Schatrandsch
-Brett und die Figuren einzusammeln. Während sie alles in den Korb legte und die Essensreste an die Möwen verfütterte, schüttelte Sebastian die Decke aus, rollte sie zusammen und legte sie in den Korb. Eine Hand leicht auf ihrem Rücken, geleitete er sie aus dem friedlichen Park in das hitzige Treiben der Stadt zurück.
»Ich bringe dich zum Palast«, sagte er, als sie zögerte, sich von ihm zu verabschieden.
»Nein, das ist nicht nötig«, erwiderte sie. »So weit ist es nicht. Ich komme schon zurecht.«
»Bist du sicher?«
Sie nickte nachdrücklich und streichelte über sein Gesicht, genoss das Gefühl seines markanten Kinns an ihrer Hand. »Bis heute Abend, Mylord.«
Ehe er noch etwas
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