Das Herz des Ritters
bewaffnete Offiziere vor ihr. Einer hatte einen langen, zerzausten Bart und trug einen weißen Surcot, auf dessen Vorderseite ein großes rotes Kreuz prangte. Sein Gewand wies ihn als einen der christlichen Kriegermönche aus, ein Ritter des Tempelordens, ein Mann von Bedeutung, nach seiner hochmütigen Miene zu urteilen. Arrogant durchbohrte er Zahirah mit einem solch verächtlichen Blick, als sei es für ihn eine Zumutung, sich mit ihr im selben Flur aufhalten zu müssen. Löwenherz hingegen wirkte wie eine Katze, der man gerade eine Schüssel Sahne vor die Nase gestellt hatte.
Er entließ den Templer und die anderen Männer mit einigen knappen Worten, ohne seinen unverfroren-lüsternen Blick von Zahirah zu nehmen. Sie umklammerte den Korb in ihren Händen mit aller Kraft und verharrte reglos mit gesenktem Blick, bis sich die Engländer verabschiedet hatten und an ihr vorbei den Korridor hinunterstolzierten.
»Schau, schau, welch unerwartetes Vergnügen«, sagte der König gedehnt, als seine Offiziere außer Hörweite waren. »Fast hatte ich den Eindruck gewonnen, Ihr gingt mir absichtlich aus dem Weg.«
Zahirah schüttelte matt den Kopf und zwang sich, ein Lächeln aufzusetzen. Seines wurde daraufhin noch breiter.
»Nicht? Nun denn. Mir scheint das Glück heute hold zu sein.« Er ließ vielsagend und genüsslich den Blick über sie wandern und hielt inne, als er den Korb entdeckte. Ohne um Erlaubnis zu bitten, beugte er sich vor und schaute hinein. »
Schatrandsch
? Dieses königliche Kriegsspiel ist wohl kaum ein Zeitvertreib für holde Frauen. Sagt mir, Mylady, seid Ihr gut darin?«
Er schloss den Deckel des Korbes wieder, doch seine Hand verharrte noch ein wenig in der Luft, um ihr dann mit seinen beringten Fingern über den Arm zu streichen. Seine Berührung ließ Zahirah innerlich erschaudern, denn seine Absichten waren offensichtlich. Da ihr jedoch die Drohung ihres Vaters immer noch in den Ohren klang, wusste sie, dass sie die königlichen Absichten behutsam zu ihrem Vorteil nutzen musste, wie sehr es sie auch anwiderte, die Rolle einer Hure zu spielen.
»Ich möchte mir kein Urteil über meine Fähigkeiten anmaßen, Mylord«, sagte sie, sorgfältig ihre Worte wählend. »Daher würde ich Eure Meinung sehr zu schätzen wissen. Zweifellos könnte ich viel von Euch lernen.«
Richards Lachen war mehr ein Schnurren als eine Antwort; es klang leise und kehlig und sehr selbstgefällig. Zahirah wagte es, aufzublicken, und entdeckte, dass hinter dem König im Türrahmen des Empfangssaales zwei bewaffnete Ritter standen, die ihm den Rücken freihielten. Einer von ihnen war der Dämonenkrieger Blackheart; den anderen hatte sie schon einmal gesehen, kannte aber seinen Namen nicht. Mit steinernen Mienen beobachteten die beiden Männer sie schweigend, weit genug entfernt, um ihrem Herrn ein Mindestmaß an Privatsphäre zu gewähren, aber immer noch nah genug, um alles zu sehen und zu hören, was zwischen ihnen vorging. Beide Männer kannten Sebastian zweifellos und wussten, dass sie seine Geliebte war – ein Gedanke, der Zahirah mit unermesslicher Scham erfüllte, doch sie versuchte, ihn zu verdrängen und sich ganz darauf zu konzentrieren, den Köder für den König auszulegen.
»Dachte ich es mir doch, dass Ihr letztendlich nachgeben würdet«, sagte er mit süffisantem Grinsen, stützte den Arm neben ihrem Kopf an die Wand und zwängte sie so ein. »Vielleicht möchtet Ihr Eure erste Lektion gleich erhalten.«
Er beugte sich vor, um sie zu küssen, doch Zahirah wandte den Kopf ab, eine instinktive Reaktion, die einen verstimmten Ausdruck im Gesicht des Königs hervorrief. Sie mühte sich, ihren Schnitzer rasch wiedergutzumachen. Schüchternheit vorschützend senkte sie den Kopf. »Nicht hier, Mylord«, sagte sie leise. »Ich muss auf Diskretion bestehen. Und keine Wachen.«
»Dann in meinen Gemächern, heute Abend.«
»Das ist zu rasch«, erwiderte sie kopfschüttelnd. Ihr Vater hatte ihr zwei Tage Zeit zur Erfüllung ihrer Mission gegeben; sie weigerte sich, diese letzte Nacht, die ihr noch mit Sebastian vergönnt war, zu verlieren. Sie wollte ihren tödlichen Plan erst ausführen, wenn ihr gar keine andere Wahl mehr blieb. Und sie musste ganz sicher sein, dass Sebastian nicht zugegen wäre und weder ihres Verrats noch dessen Folgen mit eigenen Augen ansichtig werden konnte. Nach Richards Tod gäbe es kein Entkommen mehr für sie, da sie beschlossen hatte, keinen Fluchtversuch zu unternehmen, wenn seine
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