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Das Herz des Ritters

Das Herz des Ritters

Titel: Das Herz des Ritters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Adrian schreibt als Tina St. John
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mit seinem Dolch nicht höher zielte, Herr. Denn dann wäre uns allen nichts weiter übriggeblieben, als zuzuschauen, wie Gevatter Tod Euch holt.«
    Doch nicht der grausige Anblick der narbigen, blutenden Wunde raubte Zahirah den Atem, sondern die Erkenntnis, wer der dunkle Kreuzritter war. Es war derselbe Mann, der ihr Attentat auf den König vereitelt hatte; der Mann, der sie in der Nacht im feindlichen Lager beinah gefangen genommen hätte. Sie hatte geglaubt, ihn getötet zu haben, doch nun stand er vor ihr – ein anscheinend unsterblicher Krieger – und trug seine Wunde wie eine Auszeichnung zur Schau. Sein Körper war geschunden, aber unbesiegt und beunruhigend real und nah.
    Allah, hab Erbarmen.
    Er war es tatsächlich.
    »Lass dir gesagt sein, Sebastian, mein Freund«, meinte der Soldat mit polterndem Lachen. »So geschickt Abdul auch sein mag, ich hege nicht den Wunsch, ihm noch einmal dabei zusehen zu müssen, wie er dich wie eine Weihnachtsgans nach dem Füllen zusammenflickt. Ich sage den Männern, sie sollen die sterblichen Reste des Assassinen mit dem Abfall verbrennen …«
    »Nein«, unterbrach ihn der Hauptmann mit tiefer, gelassener Stimme, obwohl Abdul soeben mit der Nadel durch seine Haut stach und die Wundränder zusammenzog. »Ich möchte, dass er dorthin zurückgeschickt wird, wo er herkam. Bindet ihn auf einen Esel und lasst das Tier am Fuß der Berge frei, in denen der König der Assassinen seinen Schlupfwinkel hat.« Mit weißen Lippen und angespannten Zügen sprach er die Worte aus, die Hände zusammengeballt vor Schmerz, den er ohne auch nur den kleinsten Schluck betäubenden Weins ertrug. »Ich möchte, dass meine Nachricht an den Alten vom Berge unmissverständlich ist: Jeden Fida’i
,
den er ausschickt, um den König zu töten, schicke ich ihm als Leiche zurück. Ich schwöre, ich werde jeden einzelnen von ihnen töten.«
    Zahirah zweifelte keinen Augenblick daran, dass er seinen Schwur wahrmachen würde. Schwer schluckend, stellte sie die Tasse ab, um zu verhindern, dass sie ihren zitternden Fingern entglitt. Das Bedürfnis, ihre Mission abzubrechen, war inzwischen von einer vagen Überlegung zu einem verzweifelten Wunsch gereift.

3
    Mondlicht strömte durch die Flechtgitter vor den hohen Fenstern im Harem. Die mattsilbernen Strahlen brachen sich an den Dächern der zahlreichen Palasttürme und zersplitterten an der Wand und auf dem Boden in Tausende diamantgleiche Lichtscherben. Das lange Warten bis Mitternacht hatte Zahirahs Geduld auf eine harte Probe gestellt, doch endlich war die verabredete Stunde gekommen.
    Schon vor einer Weile hatten die Kreuzfahrer ihre Schlafgemächer aufgesucht. Inzwischen war Ruhe eingekehrt, und sie schlüpfte unbemerkt aus ihrer Kammer und schlich lautlos den Flur hinunter, der zum Hofgarten führte. Sicherlich wartete der Assassine, der ihr die Waffe bringen sollte,
dort bereits auf sie.
    Bei Allah, sie hoffte inständig, dass es so war.
    Obgleich sie zunächst der Ansicht gewesen war, es sei besser, ihre Flucht auf den Morgen zu verschieben, verspürte sie nun in diesem Labyrinth finsterer Korridore den dringenden Wunsch, den Palast auf der Stelle zu verlassen. Immer wieder sagte sie sich, dass ihre Beklommenheit keineswegs auf den dunklen Barbarenritter zurückzuführen sei, den sie vor mehreren Wochen beinahe umgebracht hätte – ja, letztlich umgebracht haben sollte. Nein, wenn sie ihre Mission nun abbrach, dann allein, weil sie um ihren Erfolg fürchtete und nicht etwa wegen der Drohung, die dieser aufgeblasene Engländer ausgestoßen hatte.
    Ärgerlicherweise war ihr aber nicht diese Drohung im Kopf geblieben, sondern vielmehr er selbst: sein auffallend attraktives Gesicht, die unversöhnlichen Züge, die harten graugrünen Augen. Der Anblick seines vom Kampf gestählten Körpers war ihr förmlich ins Gedächtnis eingebrannt, und selbst jetzt noch, nachdem sie ihn einige Stunden nicht gesehen hatte, verspürte sie schon bei dem Gedanken daran wieder dieses seltsame Flattern in ihrem Bauch.
    Ganz zweifellos ist es ein Zeichen von Abscheu,
dachte sie entschlossen, bog um eine Ecke und folgte einem offenen, von Säulen gestützten Bogengang. Es konnte nichts anderes sein als abgrundtiefer Ekel, der sie erschauern ließ, denn etwas anderes als Verachtung für die grauenhaften Barbaren zu empfinden, die man sie zu hassen gelehrt hatte, wäre die größte Schande überhaupt. Lieber würde sie sterben.
    Ihre Gedanken kreisten immer noch um diese

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