Das Herz des Ritters
Mission erfolgreich zu Ende zu bringen. Wie eine Schlange, die gut verborgen ihrer Beute auflauert, würde sie auf ihre Chance lauern und dann zuschlagen. Und dieses Mal würde Richard Löwenherz sie erst bemerken, wenn er den tödlichen Stich ihres Dolches spürte.
Inzwischen hatte der Kreuzritter die mit Mosaiken geflieste Eingangshalle des Palastes betreten, und Zahirah barg rasch das verschleierte Gesicht an seiner breiten Brust, um den neugierigen Blicken der sarazenischen Dienstboten zu entgehen.
»Hol mir eine Schüssel kaltes Wasser und Stoffstreifen«, befahl der Ritter einem der gaffenden Diener auf Arabisch. Seine tiefe Stimme vibrierte an Zahirahs Ohr. »Und sag Abdul, ich brauche ihn. Er soll einen seiner Tees zubereiten – etwas, das Schmerzen lindert.«
»Sehr wohl, Mylord.«
Während der Mann davoneilte, trug der Kreuzritter Zahirah einen langen Gang hinunter, der schließlich sanft abfallend in einem geräumigen rechteckigen Saal endete. Ein herrlicher scharlachroter Teppich mit goldfarbenen Mustern bedeckte den Boden des ganzen Raumes. In Nischen, die sich zwischen den hohen, mit Fresken verzierten Wänden öffneten, standen elegante, weich gepolsterte Diwane. Auf einer Seite stützten Marmorsäulen einen Orchesterbalkon; darunter, auf einem Podest, befand sich ein mit zahlreichen Kissen bedeckter prächtiger Diwan, der einst wohl dem Sultan vorbehalten gewesen war. Ganz offensichtlich befanden sie sich in den Haremsgemächern, deren Betreten für Außenstehende seit unzähligen Generationen ein Tabu war. Der Duft von Sandelholz und Myrrhe lag in der Luft, ein Hauch des Parfüms der Haremsdamen, das immer noch in den Wandteppichen und Polstern hing, obwohl sie den Palast schon vor vielen Monaten geräumt hatten. Saladins Heer hatte damals Askalon in Schutt und Asche gelegt, um die Kreuzfahrer daran zu hindern, eine weitere Festung an der Küste zu übernehmen. Dieser Plan war jedoch gescheitert, denn König Richard hatte die Stadt trotz ihrer Verwüstung zum Hauptquartier seines Heeres gemacht und ließ nun die zertrümmerten Befestigungsmauern wiederaufbauen.
Der Ritter, in dessen Armen Zahirah sich befand, schien ebenso kühn zu sein wie sein siegreicher König, und er schritt so selbstbewusst durch die verbotenen Haremsgemächer, als ob ihm der Palast gehöre.
Er setzte sie auf dem weichen Diwan des Sultans ab, doch seine Hände ließ er auf ihren Hüften ruhen und machte auch keine Anstalten, sie freizugeben. Aufs Höchste beunruhigt, versteifte Zahirah sich und blickte ihm fragend in die graugrünen Augen, deren Blick sie förmlich zu durchbohren schien. Ohne jede Vorwarnung fuhr er mit einer Hand rasch tastend von ihren Achseln hinunter bis zu ihrer Taille und über ihren Bauch und ging schließlich vor ihr in die Hocke. Ihr empörtes Aufkeuchen ignorierend, ließ er seine starken Finger erst über ihr rechtes, dann über ihr linkes Bein gleiten, von den Schenkeln bis hinunter zum engen Saum ihrer knöchellangen Pluderhose.
»Eine notwendige Vorsichtsmaßnahme«, erklärte er nachträglich, entschuldigte sich aber nicht für sein flegelhaftes Benehmen. Leicht ächzend, als habe er Schmerzen, richtete er sich zu seiner vollen Größe auf und blickte sie unter hochgezogenen dichten, dunklen Brauen an. »Askalon ist überreich an verborgenen Gefahren, Mylady. Ich nehme an, Ihr habt Verständnis für meinen Argwohn.«
»Natürlich«, murmelte Zahirah. Sie konnte seinem durchdringenden Blick kaum standhalten und spürte verärgert, wie ihr die Röte unter dem schützenden Schleier in die Wangen kroch. Sie verbarg ihre beunruhigende Reaktion auf die Berührung des Barbaren hinter einer Miene angemessen demütiger, wenn auch vorgetäuschter Fügsamkeit. »In Zeiten des Krieges kann man nicht vorsichtig genug sein. Ich verstehe Eure Sorge sehr gut, Mylord.«
Sie verstand sie tatsächlich, ja, hatte sogar damit gerechnet, dass die verrohten Kreuzfahrer sie durchsuchen würden, weshalb sie auch keine Waffe am Körper trug. Ein Komplize würde ihr im Schutz der Nacht einen Dolch zum Palast bringen. Ihr Erscheinen am vereinbarten Treffpunkt wäre dann zugleich das Zeichen, dass ihr Plan gelungen war und sie sich unerkannt in das Hauptquartier der Ungläubigen hatte begeben können. In den Stunden bis zu ihrem nächtlichen Treffen wollte Zahirah noch möglichst viele Informationen sammeln und genau überlegen, wie sie sich dem König, der am darauffolgenden Morgen im Palast zurückerwartet
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