Das Herz des Ritters
einen Wimpernschlag darüber nach und schüttelte den Kopf. »Ich lasse dich nicht allein. Niemals wieder lasse ich dich allein.«
»Hier entlang«, rief einer der Soldaten; seine Stimme hallte in den langen Gängen wider. »Ich glaube, es kam aus dieser Richtung, Sir!« Gleich darauf vernahmen sie die schnellen Schritte mehrerer Ritter. Das Klirren ihrer schweren Rüstungen schallte wie Kettengerassel durch die Höhle. Immer lauter wurde der Lärm, je näher sie dem Versteck der Assassinen kamen.
Sebastian ergriff Zahirahs Hände und schnitt mit seinem Langdolch ihre Fesseln durch. »Kannst du aufstehen?«, fragte er, als die Seile gelöst waren. Sie nickte und all die Willenskraft aufbietend, die er so sehr an ihr bewunderte, erhob sie sich. »Gehen wir, Mylady.«
Er nahm sie bei der Hand und zog sie hinter sich her, in Richtung des Pfades, der sie wieder zu der Treppe bringen würde, in der Absicht, durch die Winkel und Gassen der Stadt zu entkommen. Sie umrundeten den breiten Felsen, der die Höhle von der Treppe trennte, genau in dem Augenblick, als zwei bewaffnete englische Ritter die Stufen herabpolterten und ihnen den Weg abschnitten.
»Hier entlang!«, rief Zahirah und wollte mit Sebastian einen anderen Gang hinunterlaufen.
Jäh blieben sie stehen, denn Fallonmour, Blackheart und ein gutes halbes Dutzend weiterer Männer kamen ihnen entgegen. Die Soldaten strömten in die wie zu einer Kathedrale geweiteten Höhle und umringten sie von allen Seiten wie ein Rudel Wölfe.
30
Zahirah und Sebastian saßen in der Falle. Hinter ihnen in der Tiefe rauschte der Gezeitenfluss, und von allen Seiten waren sie von englischen Soldaten umringt, die ihre Schwerter auf sie richteten. Zahirah klammerte sich an Sebastian, der schützend vor sie getreten war, um sich seinen Landsmännern zu stellen.
Der Anführer der Ritter war ein Mann mit einer geschwollenen, bandagierten Nase. Zahirah erkannte ihn wieder. Es war der Mann, der sie bei dem Fest in Darum belästigt hatte. Fallonmour, so hatte Sebastian ihn angeredet, als er ihr damals zu Hilfe geeilt war. Wie lange das schon her zu sein schien! Sie hätte diesen unangenehmen Vorfall zu gern vergessen, doch nun, da der Grobian jenes Abends vor ihr stand, entsann sie sich wieder jeder Einzelheit.
Fallonmour, so sah es aus, nahm es Sebastian immer noch übel, dass er ihretwegen die Hand gegen ihn erhoben hatte. Er bedachte sie mit einem vernichtenden Blick, doch in seine Augen trat der blanke Hass, als er sich Sebastian zuwandte. »Ich hätte mir denken können, dass ich Euch hier antreffe. Verräter!«
In der Gruppe erkannte Zahirah noch einen weiteren Ritter, den sie fürchtete. Wie ein massiger Berg aus Leder und Stahl stand der Mann mit dem berüchtigten Namen Blackheart inmitten der anderen und strahlte grimmige, kalte Beherrschung aus. »Zügelt Euren Zorn, Fallonmour«, sagte er schroff und bedachte seinen Kameraden mit finsterer Miene. »Ihr vergesst Euch. Ihr richtet das Wort an einen Offizier.«
»Nein, nicht mehr«, erwiderte Fallonmour verächtlich schnaubend. »Wisst Ihr es denn noch nicht? Er ist degradiert worden, weil er sich von der sarazenischen Hure den Kopf hat verdrehen lassen und seine Pflichten vergessen hat.«
Schmerzhaft krampfte sich Zahirahs Herz zusammen, und die Reue drückte schwer auf ihre Brust. »Sebastian«, flüsterte sie. »Ist das wahr?«
Sein Schweigen war ihr Antwort genug. Sie fühlte sich elend bei dem Gedanken, welchen Preis er für ihre Fehler hatte zahlen müssen. Welchen Preis er wohl noch zahlen musste, bedachte sie das boshafte Funkeln in den lüsternen Augen des adeligen Hauptmannes.
Wie ein angreifender Stier senkte Fallonmour den Kopf. »Der König hat Montborne seines Ranges als Hauptmann enthoben. Nun ist er ein ganz gewöhnlicher Sergeant, der mir unterstellt ist. Und ich befehle ihm, diese Assassinenschlampe zu töten oder er wird wegen Hochverrats angeklagt.«
»Zuerst töte ich Euch«, erwiderte Sebastian mit gefährlich gelassener Stimme. Er tastete mit der linken Hand nach Zahirah, als wolle er sich vergewissern, dass sie noch da war, und sie gleichzeitig wissen lassen, dass er sie niemals verletzen würde, womit man ihm auch drohte. »Wenn es Euch nach Blut dürstet, Fallonmour, dann sucht nach Raschid ad-Din Sinan. Er versteckt sich irgendwo hier in dieser Höhle. Ihr habt mehr Männer als er; Ihr müsstet ihn leicht stellen können.«
Fallonmour schien es damit jedoch nicht eilig zu haben. »Mein Befehl
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