Das Herz des Ritters
er, dass der dritte Leibwächter Zahirah vom Boden hochriss. Zwar war sie an den Handgelenken gefesselt, doch zu seiner Erleichterung bemerkte Sebastian, dass sie nicht völlig wehrlos war. Sie hatte die Hände mit Sand füllen können, den sie nun mit einem lauten Schrei in das Gesicht des Assassinen warf. Er schrie auf und ließ in seiner momentanen Blindheit seine Waffe fallen. Zahirah duckte sich danach und warf sich, den Dolch in den gebundenen Händen haltend, auf den Mann. Die Klinge fuhr in seine Brust, und er brach tot zusammen. Rasch wandte sich Zahirah nach Sebastian um.
»Lauf!«, befahl er ihr. »Rette dich. Sieh zu, dass du hier rauskommst.«
Während Sebastians Aufmerksamkeit auf Zahirah gerichtet war, gelang es seinem Angreifer, ihm eine schmerzhafte Wunde an der Hand zuzufügen. Sebastian ging von dem Hieb in die Knie, doch er konnte sein Schwert noch hochreißen. Die beiden Klingen krachten aufeinander, wurden in erbittertem Kampf gegeneinandergedrückt, Kraft gegen Kraft, Wut gegen Wut. Schließlich konnte Sebastian den Mann mit einem Tritt abwehren; im selben Augenblick sah er, wie Sinan auf einen Gang in der Höhle zulief.
Sebastian sprang auf und setzte dem Alten nach. Er bekam Sinans flatterndes Gewand zu fassen und riss ihn zu Boden. In der Ferne, über dem Geräusch der brandenden Wellen, hörte er Rufe. Englische Soldaten, zweifellos Fallonmours Männer, die den Strand absuchten. Er konzentrierte sich wieder auf Sinan und hielt ihm die Spitze seines Schwertes an die Kehle. »Jetzt stirbst du«, sagte er grimmig und atmete tief die salzige Luft ein, bereit, den Todesstoß auszuführen.
»Zuvor stirbt sie«, erwiderte der Alte boshaft und krankhaft zuversichtlich.
Im selben Moment vernahm Sebastian ein ersticktes Stöhnen, hörte das Geräusch von strampelnden Füßen im Sand. Er blickte über die Schulter, und das Herz wurde ihm schwer. Der zweite Mann, den er zu Boden geschlagen, aber in seiner Hast, Sinan nachzueilen, am Leben gelassen hatte, hatte sich Zahirah gegriffen. Er hielt sie vor sich und drückte ihre gefesselten Hände mit seinem starken Unterarm fest auf ihren Bauch. Unter ihrem Kinn glänzte sein Krummsäbel und zwang sie, den Kopf steif und schräg zu halten, um sich nicht den Hals an seiner rasiermesserscharfen Klinge aufzuschlitzen.
»Vermutlich tätet Ihr besser daran, mich aufstehen zu lassen«, sagte Sinan. Sebastian zog sich ein wenig zurück, aber nur so weit, wie es nötig war, damit der Alte auf die Beine kommen konnte. Das Schwert hielt er weiter an Sinans Brust, während sein Blick zwischen seinem verschlagenen Widersacher und dem Rohling hin- und herfuhr, der Zahirah festhielt.
Die Stimmen vom Strand wurden lauter, kamen immer näher. Wer auch immer es war, er hatte offensichtlich einen Eingang zur Höhle gefunden. Sinan erkannte die Bedrohung ebenfalls. Wutentbrannt, die Augen wie zwei lodernde Feuer, sah er Sebastian an. »Ahmed und ich werden jetzt gehen und das Mädchen mit uns nehmen. Und Ihr werdet Euren Teil unseres Handels erfüllen, nicht wahr?«
»Geht zur Hölle«, erwiderte Sebastian schroff. »Sagt Eurem Mann, er soll Zahirah loslassen. Sofort! Es sei denn, Ihr zieht es vor, mit der Klinge an der Brust zu warten, bis die Ritter hier sind. Ich bin sicher, Löwenherz wird außer sich vor Freude sein, Euch in die Hände zu bekommen. Denkt nur an das Massaker von Akkon, falls Ihr Zweifel daran habt. Richard hat an diesem Tag zweitausendsiebenhundert Gefangene hinrichten lassen. Stellt Euch nur vor, welche Belustigungen er sich für einen Schurken wie Euch ausdenken wird.«
Sinans dünnes Lächeln verblasste. Sein Blick glitt zu seinem Mann, dann nickte er leicht. »Lass sie gehen.«
Der Assassine griff in Zahirahs Haar und stieß sie brutal von sich fort. Da ihre Hände gefesselt waren, konnte sie sich nicht abstützen, prallte hart auf dem Boden auf und streifte mit dem Kopf einen zerklüfteten Felsen.
»Zahirah!«, rief Sebastian und lief zu ihrer zusammengesunkenen Gestalt. Seine momentane Abgelenktheit gab Sinan die Gelegenheit zur Flucht. Wie der Blitz wirbelte der Alte herum und lief, gefolgt von seinem Leibwächter Ahmed, durch eine der dunklen Arterien der Höhle davon.
»Zahirah«, sagte Sebastian, kniete neben ihr nieder und nahm sie in die Arme. Benommen blinzelte sie. Über ihre Stirn zog sich eine blutende Schramme.
»Lauf ihm nach«, murmelte sie und richtete sich auf. »Lass ihn nicht entkommen.«
Sebastian dachte nicht einmal
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