Das Herz des Ritters
wir uns nun in dieser Lage.«
Sie blinzelte bedächtig. »So scheint es, Mylord.«
Er musterte sie einen Augenblick. Als er erneut das Wort ergriff, waren seine Stimme und seine Miene sanfter geworden. »Bitte vergebt mir mein Verhalten von heute Nachmittag. Ihr habt mich in meinen Gemächern überrascht. Ich hatte nicht erwartet … Nun, wie Ihr seht, bin ich es nicht gewohnt, ständig eine Frau um mich zu haben. Früher mag das hier ein Palast gewesen sein, Zahirah, nun aber ist es ein Heerlager. Es ist kein Ort für jemanden wie Euch.«
»Wie mich, Mylord?«
»Eine unerfahrene Frau. Eine Frau, deren Augen viel zu schön sind, um sie mit dem hässlichen Anblick der Kriegsführung zu beschmutzen.«
Sah er sie tatsächlich in diesem Licht? Insgeheim gefiel ihr diese Vorstellung, doch ihre unversöhnliche innere Stimme erinnerte sie an den Dolch, den sie an ihrer Taille trug. An die jahrelange harte Ausbildung und die unerschütterliche Disziplin, die man ihr beigebracht hatte – all das hatte sie zu dem gemacht, was sie war: Sinans jungfräulich reine Klinge, eine Waffe, die in aller Heimlichkeit geschärft worden war, bar jeder Sünde, frei von Schmutz und Gefühlen, um einer einzigen Mission zu dienen. In der Geschichte ihres Clans hatte es nie zuvor eine Assassinin gegeben. Ihr Vater hatte nach ihrer Geburt beschlossen, dass sie die Erste – und Letzte – ihrer Art sein würde.
Aber unerfahren? Nein, das war sie nicht. Und sie würde sich von diesem Engländer und seinem irregeleiteten Mitgefühl ganz gewiss nicht von ihrem Weg abbringen lassen.
»Ich bin hier, weil Ihr mich hergebracht habt«, sagte sie nachdrücklich. »Ich kann nirgendwo sonst hingehen. Wenn Ihr mich hinauswerfen wollt, dann gebt nicht vor, Ihr tut das aus Sorge um mein Wohl, obwohl es doch offensichtlich ist, dass Euch meine Anwesenheit in diesem Palast plötzlich missfällt.«
Es war ungerecht, das wusste sie, ihn derart mit Worten zu bekriegen. Die Miene des Hauptmanns verhärtete sich, während sein Blick grübelnd auf ihr ruhte. Vermutlich hatte nie jemand mit ihm so gesprochen, schon gar nicht eine Frau. Würde er sie für ihre Dreistigkeit schlagen oder unter seine Fittiche nehmen? Zahirah wappnete sich für beides. Er konnte tun, was ihm beliebte, sie würde es erdulden, solange sie nicht mit Schande bedeckt nach Masyaf zurückkehren musste.
»Ich werde Euch in allem gehorsam sein«, hörte sie sich selbst sagen. Ihre Stimme zitterte, so heftig waren ihre Gefühle in Aufruhr. »In allem, Mylord. Das schwöre ich.«
Er stieß den Atem in einem langen Seufzer aus. Auf seiner Stirn bildete sich eine steile Falte. »Also schön, aber dieses Arrangement gilt nur vorübergehend, versteht Ihr. Nur so lange, wie ich in Askalon weile. Ich werde nichts von Euch verlangen, noch werde ich Euch irgendwelche Versprechungen machen.«
Zahirah nickte. Eine Welle der Erleichterung durchflutete sie. »Ich werde Euch um nichts bitten, Mylord.«
»Gut«, sagte er, obwohl er nicht ganz überzeugt aussah und den Anschein erweckte, als bereue er seine Einwilligung bereits. »Ihr könnt in der Kammer bleiben, die Abdul Euch zugewiesen hat. Die Tore des Palastes werden bewacht. Es ist Euch erlaubt, Euch innerhalb des Palastes frei zu bewegen, aber ihr werdet seine Mauern nicht ohne Begleitung verlassen. Und niemand wird Euch ohne meine vorherige ausdrückliche Erlaubnis begleiten. Habt Ihr mich verstanden?«
Obwohl sie dafür dankbar sein sollte, dass er sich auf diese Vereinbarung eingelassen und sie nicht hinausgeworfen hatte, fühlte sich Zahirah unvermittelt wie in einem Gefängnis. »Bin ich statt Eurer Braut nun Eure Gefangene, Mylord?«
Er hob eine Braue. »Weder noch, Mylady. Doch solange Ihr Euch unter meinem Schutz befindet, werdet Ihr meine Anweisungen befolgen.« Er stand auf und gab ihr damit zu verstehen, dass das Gespräch beendet war. »Ich werde Abdul beauftragen, Euch morgen früh Kleidung vom Basar zu besorgen. Sagt Bescheid, wenn Ihr sonst noch etwas braucht.«
Sie murmelte ihren Dank, doch die Aufmerksamkeit des Hauptmanns war bereits auf den Korridor gerichtet, von dem das Klirren von Sporen und die schweren Schritte eines Soldaten zu ihnen herüberdrangen. Einen Moment später trat der große braunhaarige Ritter mit der seltsamen Sprechweise über die Schwelle.
»Ich bringe dir den Bericht der Torwächter, mein Freund.« Sein Blick fiel auf Zahirah, und er hielt abrupt inne. »Verzeihung, ich wollte nicht
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