Das Herz des Ritters
schlug es ihr bis zum Hals, als ein hämmerndes Klopfen an der Tür ertönte. Die Holztür schwang auf, doch nicht Sebastian stand auf der Schwelle, sondern sein bulliger Leutnant, was sie gleichermaßen unsäglich erleichterte und enttäuschte. Logan schien ihre Unsicherheit zu spüren, denn er schenkte ihr ein flüchtiges, aber beschwichtigendes Lächeln.
»Der Hauptmann möchte Euch sehen, Mädchen. Kommt, ich bringe Euch zu ihm.«
Sie folgte dem großen Ritter ins Innere der Karawanserei. Ihr Weg führte sie am Gemeinschaftsraum vorbei, in dem einige der Soldaten und Karawanenbegleiter speisten und tranken. Dieser Raum ging auf einen Hof hinaus, der den Höfen im Palast von Askalon nicht ganz unähnlich war, wenngleich er weitaus weniger luxuriös ausgestattet war. Gewöhnlich fanden sich die Pilger zum Plaudern und Rasten hier unter dem freien Sternenhimmel zusammen, aber nicht in dieser Nacht. Zahirah konnte einen kurzen Blick in den dunklen Hof werfen, ehe sie hinter Logan einige Stufen hinaufstieg, und stellte fest, dass sich der Sturm endlich gelegt hatte. Das Trommeln des Regens war verstummt und in ein gleichmäßiges beruhigendes Plätschern übergegangen.
Das Schlimmste ist überstanden,
dachte sie, und fühlte sich in gewisser Weise erleichtert … bis Logan sie in Sebastians Kammer führte und sie seinem gewittrigen Blick begegnete.
Er saß, den Stiel eines Weinkelches nachdenklich zwischen den Fingern drehend, auf einem Diwan. Der flackernde Schein einer Öllampe erhellte seine Gestalt und offenbarte ihr, dass er Kettenhemd und Waffen abgelegt hatte. Als sie das Gemach betrat, schaute er auf, erhob sich und nickte seinem Freund kurz zu. Der große Ritter überließ sie ohne ein weiteres Wort Sebastians Gnade und schloss die Tür hinter sich. Noch unendlich lange, nachdem Logans Schritte im Flur verhallt waren, war der Raum von bedrückendem Schweigen erfüllt. Schließlich wandte sich Sebastian mit gefurchter Stirn von ihr ab.
»Dort drüben findet Ihr einen Imbiss«, sagte er und deutete auf den Tisch, ehe er sich wieder auf dem Diwan niederließ. »Ihr könnt Euch gern bedienen, es sei denn, Ihr fürchtet, es könne die Reinheit Eures Glaubens besudeln, wenn Ihr mit einem Feind das Brot brecht.«
Gekränkt durch seinen schneidenden Ton sog sie zittrig den Atem ein. »Sind wir denn Feinde, Mylord?«
»Ich hatte gehofft, das würdet Ihr mir sagen«, gab er ruhig zurück und sah unter seinen dichten schwarzen Locken zu ihr hoch. »Ich gestehe, dass mich diese Frage bereits seit einigen Tagen umtreibt.«
Sie dachte an die Kälte, die seit ihrer Auseinandersetzung auf der Dachterrasse zwischen ihnen geherrscht hatte. An ihre wütenden, ausweichenden Antworten auf seine Fragen nach Halim und dem Albtraum, dessen Zeuge er in jener Nacht geworden war. Sie hatte behauptet, dass sie ihn hasse, doch ihre Gefühle für ihn waren weit von jedem Hass entfernt. »Ihr seid nicht mein Feind, Sebastian. Wenn das so wäre, hätte ich Askalon nicht verlassen, um Euch zu warnen.«
Seine Augen wurden schmal; argwöhnisch blickte er sie an. »Warum seid Ihr ausgerechnet jetzt gekommen? Sicherlich wisst Ihr bereits seit einigen Tagen von diesem Hinterhalt. Warum habt Ihr so lange gewartet?«
»Ich wusste von dem Hinterhalt«, gab sie zu. »Allerdings war mir nicht bewusst, dass Ihr die Absicht hegt, die Karawane persönlich zu eskortieren. Das habe ich erst heute erfahren …«
Er gab einen knurrenden Laut von sich. »Ihr wollt mich also glauben machen, dass Ihr aus Sorge um mich gekommen seid?«
»Es ist die Wahrheit.«
»Die Wahrheit«, wiederholte er und musterte sie zweifelnd. »So, wie Ihr mir weismachen wolltet, es sei die Wahrheit, dass der Mann, den Ihr in der Moschee getroffen habt – Abduls Mörder –, nicht Euer Bruder sei.«
»Dies entspricht in gewisser Weise der Wahrheit, ja«, stimmte sie ruhig zu.
Sein Gesicht nahm einen harten Ausdruck an; scharf zeichneten sich die Kieferknochen ab, und sein Blick wirkte im dämmrigen Licht der Lampe sengend. In seiner Stimme lag eine gefährliche Ruhe, und das war schmerzlicher für ihre Ohren, als es ein wütendes Brüllen gewesen wäre. »Eine Halbwahrheit ist ebenso verdammenswert wie eine Lüge, Zahirah. Ihr habt selbst zugegeben, dass Ihr Euch an diesem Tag in der Moschee mit Halim getroffen habt. Wollt Ihr etwa immer noch abstreiten, dass er meinen Freund kaltblütig ermordet hat?«
»Er hat Abdul getötet«, bestätigte sie. »Aber ich habe
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