Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)
Gebiet, das gerade, wie Sie zweifellos auf dem Weg hierher bemerkt haben, in Grabungsabschnitte unterteilt wird.«
»Aber sind Sie sicher? Welche Hinweise haben Sie gefunden?«
»Eine Tonscherbe mit dem einzelnen Wort Amata darauf. Das ist der Name, den Pontifex Maximus jeder der jungfräulichen Anwärterinnen gab, wenn er sie auswählte, um Vesta zu dienen.«
»Kann ich sie sehen?«
»Nein.«
»Aber …«
»Sie kam letzte Nacht abhanden.«
Natürlich hatte Silvia gewusst, dass er den Verlust der Tonscherbe bemerken würde, doch der Anflug von Schuldgefühl angesichts ihres Anteils an dem Diebstahl überraschte sie.
Der Minister begann mit einem großspurigen Vortrag über nachlässige Sicherheitsvorkehrungen, doch Bastian schnitt ihm das Wort ab: »Um künftige Diebstähle zu verhindern, habe ich den Bau dieses stabileren Gebäudes veranlasst, dessen Errichtung Sie hier nebenan beobachten können. Es wird fortan als verschlossener Lagerraum für besonders wertvolle Stücke dienen, bis sie kuratiert werden können.«
»Ich verstehe.« Pause. »Was den weiteren Verlauf angeht – werden Sie sich, ähm, an den eigentlichen Grabungsarbeiten am Tempel persönlich beteiligen?« Silvia verdrehte die Augen. Der Mann zog Bastian förmlich mit Blicken aus und hatte zweifellos wilde Vorstellungen im Kopf von dessen hart arbeitendem, schwitzendem Körper. Eine Szene, die sie selbst durchaus gerne betrachten würde.
»Teilweise.« Bastian zuckte mit den Schultern. »Aber Archäologie besteht nicht nur daraus, zu graben.«
»Wann werden Sie sicher wissen, dass sie den Vestalischen Komplex entdeckt haben?«
Stille. Fingerspitzen, die wieder auf den Schreibtisch klopften. Herrn Satyrs Geduldsfaden wurde gefährlich dünn. »In einem Monat? Vielleicht früher. Aber es wird alles sehr viel schneller gehen, wenn Sie jetzt mein Büro verlassen, damit ich mich wieder auf meine Arbeit konzentrieren kann.« Damit stand er auf und zeigte zur Tür.
Der Minister ließ den Blick verstohlen über Bastians eindrucksvolle Gestalt gleiten, und sein Adamsapfel hüpfte, als er schluckte. »Sie sind rüde, Signor.« Das schien ihn zu erregen, denn er musste die Beine wieder überkreuzen und den Hut erneut auf seinen Schoß legen.
»Nur beschäftigt, Herr Minister.« Bastian bewegte sich aus Silvias Blickfeld, anscheinend, um seinen Gast hinauszukomplimentieren.
Sie überlegte, die Position zu wechseln, um besser sehen zu können, doch Sal wurde unruhig. Sie legte ihm noch einmal die Hand um das Maul und gab ihm ein Zeichen mit dem Finger; dann ließ sie wieder los und hoffte, er würde noch ein paar Momente lang still bleiben. Doch plötzlich, ohne Vorwarnung, wurde die Zeltklappe auf ihrer Seite aufgerissen. Eine große Hand packte sie, hob sie am Hemdkragen in die Höhe und riss sie ins Zelt hinein.
Silvia hing in der Luft und sah – direkt in unnachgiebige silberne Augen. Sie war entdeckt worden! Von Herrn Bastian Satyr. So nah erschien er ihr wie ein erschreckender, unbezwingbarer Riese. Er hielt sie an einem ausgestreckten Arm in die Luft, ohne dass es ihn mehr Mühe als ein Anspannen des Bizeps kostete. Sal hüpfte bellend um seine Beine herum, und gleichzeitig verlangte der Minister nach einer Erklärung, doch all dieser Lärm um sie beide herum schien weit weg, als Silvia fühlte, wie sie in den Tiefen dieser silbernen Augen versank. Aus dieser Nähe konnte sie erkennen, dass seine Augen von moosgrünen Sprenkeln durchzogen und von einem dünnen tiefschwarzen Ring umgeben waren.
»Du erwürgst mich!«, protestierte sie und hakte einen Finger in ihren Hemdkragen. Das war gelogen, und er wusste es. Sie strampelte mit den Beinen, trat nach ihm und presste beide Hände flach gegen seinen Brustkorb, der so unnachgiebig war wie ein Felsbrocken. Götter, unter dieser eleganten Kleidung verbarg sich ein Körperbau wie bei einem Gladiator! Männer wie dieser fanden sich nicht oft auf dieser Seite des Tores.
»Ist das Ihr Dieb?«, wollte der Minister wissen, der direkt hinter ihm stand. »Hat er die Tonscherbe?«
Bastian betrachtete sie, als sei sie ein ganz besonders interessanter Käfer auf einer Nadel. »Das wird sich zeigen. Ich glaube, Sie waren gerade auf dem Weg nach draußen, Herr Minister?«
» Buon giorno «, rief Silvia dem Politiker sarkastisch zu und wackelte als Abschiedsgruß mit zwei Fingern.
Dabei sah sie, wie Bastians Mundwinkel sich leicht hoben, und wusste, dass er sich amüsierte, während sich die Miene
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