Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)
des Ministers vor Ärger anspannte. »Vielleicht möchten Sie einen etwas gefälligeren Tonfall annehmen, wenn wir uns das nächste Mal treffen, Herr Satyr«, antwortete er schneidend. »Ich möchte Sie daran erinnern, dass Ihr Zugang zu den Grabungen vom italienischen Ministerium für alte Kultur abhängt. In der nächsten Sitzungsperiode werden wir über Ihre Bestätigung als Leiter hier abstimmen. Und nach dem Dahinscheiden meines Vorgängers liegt die entscheidende Stimme nun bei mir.« Damit setzte er seinen Hut wieder auf und ging, sichtlich wütend.
»Bastard.«
Bei dem Wort zuckte Silvia zusammen. Erst jetzt bemerkte sie, dass sich noch ein dritter, schweigender Mann im Zelt aufhielt. Er saß in dem Sessel in der Ecke. Noch ein silberäugiger Satyr. Er war jünger als Bastian und schlanker, und seine Haut war bleich, so als ob er nur selten in die Sonne käme. Pontifex hatte sie über die Geschichte der Familie unterrichtet. Dies war wahrscheinlich Lucien, der Bruder, der jahrelang verschwunden gewesen war und der geheimnisvolle, angeblich furchterregende Talente besaß. Er hatte Schmerz in seinem Leben kennengelernt, dieser junge Mann. Und doch hatte sein wachsames Gesicht etwas ergreifend Schönes an sich.
Sie sah wieder Bastian an und bemerkte, dass er sie immer noch mit seinen scharfen Augen musterte. Sie schrumpfte bis zur Nase in ihr Hemd, aus Furcht davor, er könne ihre List entdecken.
»Lass sie nörgeln, wie sie wollen, Luc«, meinte Bastian. »Allen Klagen Tuchis zum Trotz habe ich mehr erreicht, als das Parlament gehofft hatte, und das in kürzerer Zeit als geplant. Es gibt niemanden, der kompetent genug wäre, um mich zu ersetzen, und sie werden meiner Art, zu arbeiten, auch weiterhin zustimmen, so wie sie es immer getan haben.«
»Und der hier? Was willst du mit deinem kleinen Dieb anfangen?«, fragte Lucien und zeigte auf Silvia.
»Ihm eine Belohnung anbieten?«, schlug Bastian vor, und sein Lächeln wurde breiter. »Immerhin hat uns sein Auftauchen vor dem Minister gerettet.«
Beim Anblick dieses männlichen Lächelns hörte Silvia einen Augenblick lang auf, sich zu wehren, und sah ihn fasziniert an. Er hatte Sinn für Humor? Das hatte Michaela gar nicht erwähnt. »Die einzige Belohnung, die ich von dir will, ist, dass du mich loslässt«, erklärte sie. »Und Arbeit.«
»Ich beschäftige keine Diebe«, gab er zurück. Endlich schien er zu registrieren, dass Sal wild bellend um ihn herumsprang und nach seinen Stiefeln schnappte. Er ließ Silvia wieder herab und murmelte: »Luc.«
Hinter ihr stieß Luc einen Pfiff aus, ein einzelner, klarer Laut. Sal verstummte augenblicklich und sah Bastians Bruder an. Wie in Trance trottete er zu Luc, ließ sich zu dessen Füßen nieder, legte den Kopf auf die Vorderpfoten und begann zu schnarchen.
»Behalte deine Zauber für dich, du verfluchter Satyr! Was, zur Hölle, hast du mit ihm gemacht?«, wollte Silvia wissen. Sie machte einen Satz zu dem Hund hin und streckte die Hände nach ihm aus, aber eine große Hand packte sie hinten am Hosenbund und hob sie schwungvoll auf den Rand des Schreibtisches.
»Du bekommst deinen Hund zurück, wenn du meine Fragen beantwortest, Wichtel«, sagte Bastian und ragte drohend über ihr auf. »Wo ist die Scherbe?«
»Was ist eine Kerbel?«, fragte sie gespielt unwissend.
»Antworte mir!« Sein Tonfall wurde hart, und er schüttelte sie. Ganz plötzlich war er wieder grimmig und furchteinflößend.
»Warum denkst du, dass ich derjenige bin, der dein – was auch immer – genommen hat?«
Er presste die Lippen aufeinander. »Jede Nacht, wenn ich gehe, sorge ich dafür, dass dieses Zelt und das Gelände des Forums mit unsichtbaren Zaubern belegt werden. Mit Zaubern, die menschliche Eindringlinge ablenken, ohne dass sie wissen, warum. Aber es gibt einige Geschöpfe, die die Zauber nicht abschrecken können. Nicht wahr, Luc?«
»Das wären Geschöpfe der Anderwelt«, bestätigte sein Bruder. »Wie zum Beispiel Wichtel.«
»Ich habe nicht …«, begann Silvia.
Plötzlich waren Bastians Hände überall an ihr, fuhren über ihren Rücken, ihren Brustkorb, ihren Bauch, außen und innen an ihren Oberschenkeln entlang. »Aufhören!«, kreischte sie und zappelte, um ihm zu entfliehen. Offenbar war Rico kitzlig.
Dass bei der Durchsuchung nichts zum Vorschein kam, missfiel ihrem Befrager. Er stützte die Hände links und rechts von ihr auf den Schreibtisch und beugte sich drohend über sie, so dass sie rücklings
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