Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)
Erdenmenschen bevölkerten. Eine bizarre Anomalie, über die man nur flüsterte und die die Menschen in einigen Perioden der Geschichte für ihre privaten Harems und Tierschauen gejagt und eingefangen hatten. Eine Kreatur, die in diesem Jahrhundert nur noch als Mythos und Gerücht galt.
Seine Hand legte sich um einen Schaft, der seinem Unterleib entsprossen war, und strich mit zwei Fingern daran entlang. Er fuhr über die pralle, glänzende Eichel seiner gewaltigen Länge, fand den Lusttropfen und verrieb ihn. Und erschauerte. Der Vollmond hatte ihm diesen neuen Schaft beschert – diesen zweiten Schwanz aus seinen Lenden. Nach einem einzigen Erguss würde er sich wieder zurückziehen, um mit dem nächsten Vollmond erneut zu erscheinen. Doch in diesem Augenblick ragte er hoch und steif aus seinen Lenden auf, in Länge und Umfang identisch mit dem Schwanz, der nur einige Zentimeter darunter aus seinem dunklen Schamhaar ragte. Und sie beide verzehrten sich nach der Zuflucht, die der Körper einer Frau bot.
Michaela. Sein Blick fand sie, und für einen Augenblick sah er wieder das Bild einer anderen in ihr. Das einer Frau mit klaren himmelblauen Augen und wildem rotgoldenem Haar. Kerzen flackerten um sie herum, und der Nebel, der aus dem Teich aufstieg, umgab sie wie mit Hunderten winziger perfekter Edelsteine. Und dann war sie wieder Michaela, mit ihrem dunklen, seidigen Haar und Augen violett wie Stiefmütterchen.
In einer geschmeidigen Bewegung kam er auf die Füße. Ihr Blick sank auf seine Lenden. Seine Hose stand offen, doch sein Hemd verbarg im Augenblick noch seine beiden Erektionen. Er starrte sie an, sein Blick unbewegt wie der eines Raubtieres. Die Bestie in ihm lauerte, gefährlich nahe an der Oberfläche.
»Komm her«, knurrte er.
Vorahnung, erregend und furchteinflößend zugleich, ließ Silvias Herz hämmern. In Bezug auf sinnliche Erlebnisse mit Männern hatte sie keinerlei persönliche Erfahrung. Und nach dem Flackern in Bastians Augen zu urteilen, war eine behutsame Einführung heute Nacht nicht zu erwarten. Ihr Puls flatterte in ihrer Kehle, und sie schluckte, um ein ängstliches Erbeben zu unterdrücken.
Über die Jahre waren auch Kurtisanen, Konkubinen und Ehefrauen unter ihren Wirten gewesen. Doch es war ihr jedes Mal gelungen, sich den Annäherungsversuchen ihrer Männer zu entziehen. Mittlerweile verfügte sie über ein ansehnliches Repertoire an Ausreden und Tricks, wenn es darum ging, sich den lustvollen Wünschen ihrer Wirte zu entziehen. Doch heute Nacht würde sie ihre Tricks nicht gegen Bastian einsetzen.
Heute Nacht wirst du alles sein, was er will. Du wirst ihn in seiner Lust aufnehmen. Die Worte der Bezauberung ihrer liebsten Freundin hallten in ihrem Kopf nach. Michaela wollte sie hier haben. Sie wollte das. In Wahrheit wollte Silvia es ebenso.
Noch nie hatte ein Vollmond ihre Leidenschaft so sehr angefacht. Früher hatte sie diese Nächte immer in stiller Kontemplation verbracht, wie man sie im Tempel gelehrt hatte. Was war heute Nacht anders? War es dieser Ort? War es die Präsenz von Bastian und Michaela und ihre Liebe für sie beide, die sie danach drängte, bei ihm zu liegen?
Mit lautlosen Schritten trat sie über die moosbedeckte Erde auf ihn zu und legte eine Hand – Michaelas olivfarbene Hand – auf seine Brust. Ihre Finger glitten in den Spalt zwischen seinen Hemdknöpfen zu der goldenen Haut darunter. Sie strich über eine harte Brustwarze, und seine Brustmuskeln zuckten unter ihrer Berührung. Bilder von ihm mit anderen Gespielinnen zu früheren Vollmondnächten füllten ihren Verstand – Bilder, die Michaela ihr sandte, in denen seine silbernen Augen leuchteten und sein Körper mehr einem Tier denn einem Menschen ähnlich war.
Hastig zog sie die Hand zurück.
Zwei weibliche Nebelnymphen, gekleidet in fließende, durchscheinende Seide, erschienen an ihrer Seite, offenbar aus der Düsternis um sie herum heraufbeschworen. Bastian musste sie erschaffen haben, denn die Fähigkeit, diese Wesen zu beschwören, war ein Talent, das bezeichnend für die Satyrn war. Ihre Bewegungen wie auch ihre Gewänder waren exotisch und zielten darauf ab, die Sinne anzuregen. Als ihre Hände sich an den Verschlüssen von Silvias Kleidung zu schaffen machen wollten, wehrte sie automatisch ab.
»Lass sie.« Auf Bastians halblauten Befehl hin veränderte sich die Atmosphäre in der Grotte plötzlich und war von einer neuen, knisternden Spannung erfüllt. Sein Blick brannte auf ihr.
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