Das Herz des Yoga: Körper, Geist, Gefühle - Die drei Säulen der Transformation
positive Veränderungen herbeizuführen. Nach einiger Zeit sieht er, dass er bessere Fortschritte erzielen könnte, wenn er ein paar kleine Kompromisse einginge. Das tut er, und allmählich macht er mehr und mehr Kompromisse im Glauben, dass der Zweck die Mittel heiligt. Ab einem gewissen Punkt tut er dann alles, was nötig ist, um zu gewinnen, fühlt sich darin gerechtfertigt, selbst wenn er feindselige oder skrupellose Handlungen begeht, um sein Ziel zu erreichen. Die Person/Sache/Firma, gegen die er ankämpft, steht ihm in dem Kampf um nichts nach. Und so kommt es, dass gute Menschen anfangen, Böses oder Übles zu tun, weil sie glauben, dass sie das Richtige tun. Sowohl die Palästinenser als auch die Israelis glauben, dass sie um des Gesamtwohls und der Gerechtigkeit willen Gewalt ausüben. Die tschetschenischen Rebellen und die russischen Soldaten glauben beide, dass sie für die richtige Sache kämpfen, und begehen beide im Namen der Gerechtigkeit Gräueltaten. Das ist die Situation der Menschheit, und das geht schon seit Äonen so. Wir müssen eine neue Sicht entwickeln. Sorgen wir dafür, dass die Reise ihres Zieles würdig ist.
Der Ruf
Unser Ruf besteht daraus, wie andere unseren Charakter beschreiben, wenn wir nicht dabei sind. Man könnte sagen, unser Ruf definiert sich darüber, wie erfolgreich wir unseren ethischen Kodex umsetzen.
Als ich siebzehn war, unternahm ich mit einem Freund meine erste spirituelle Pilgerreise. Wir fuhren in einem alten Toyota Land Cruiser durch den Nordwesten der USA und nahmen unterwegs alle möglichen Jobs an. Wir waren auf der Suche nach spirituellen Lehrern – nach lebendigem Wissen, das über ein Bücherwissen hinausgeht. Wir besuchten verschiedene Kirchen und Ashrams, sahen uns sogar ein paar Sekten an, um zu hören, was die verschiedenen Lehrer zu sagen hatten. Wir blieben an keinem Ort sehr lange.
Im Februar kamen wir in den Norden des Staates Idaho, in eine kleine Holzfällerstadt, wo der Freund eines Freundes uns zu sich nach Hause eingeladen hatte. Er nahm uns zu einer Besichtigungstour durch die Region mit, hauptsächlich Farmland, und mir fiel auf, dass viele Farmhäuser einander sehr ähnlich waren. Die Farbanstriche und die Art, wie sie auffallend sauber und gut in Schuss waren, erregten meine Aufmerksamkeit. Unser Gastgeber erklärte uns, dass die Häuser Mennoniten gehörten, einer protestantischen Glaubensrichtung, die den Pazifismus und ein Leben in Einfachheit hervorhebt. Manche bezeichnen sie etwas lässig als »weniger radikale Amische«. Ihre Häuser, ihre Kirche, ihre Kleidung und ihre Gebäude waren einfach, sauber und gut gepflegt. Unser Gastgeber erzählte uns: »Alle mögen die Mennoniten, weil sie ehrlich und friedlich sind und hart arbeiten. Man stellt sie gerne an, weil sie einen nie betrügen würden und halten, was sie versprechen.«
Mein Reisegefährte und ich beschlossen, am nächsten Tag zu einem ihrer Gottesdienste zu gehen. Dort fanden wir uns dann in unseren Bluejeans und Arbeiterhemden, mit relativ langem Haar und einem breiten Lächeln ein. Wir begegneten Leuten, deren Art, sich zu kleiden, wir noch nie gesehen hatten. Die Frauen trugen knöchellange Kleider und Hauben und die Männer einfache, farblose Anzüge, kurz geschnittenes Haar und Abraham-Lincoln-Bärte. Zunächst starrten sie uns völlig entgeistert an, dann begrüßten uns die Kirchenältesten freundlich und höflich. Sie taten alles, damit wir uns willkommen fühlten, und nach einem etwas verhaltenen Gottesdienst versammelten sich die Kirchenältesten und ein paar Gemeindemitglieder um uns herum in den Kirchenbänken zu einem Gespräch über Spiritualität. Sie fragten uns ganz ungezwungen nach unseren spirituellen Ansichten, und zu unserer Überraschung hörten sie uns tatsächlich zu, ohne uns zu unterbrechen. Das erlebten wir zum ersten Mal in unserem Leben. Dann sprachen sie ein paar Minuten auf lockere, freundliche Art über ihren Glauben. Wir verließen sie mit einem sehr positiven Gefühl und waren von diesen Menschen stark beeindruckt, ein Empfinden, das ich noch heute habe, sechsunddreißig Jahre später.
Das war mein erster Kontakt mit einer Gemeinschaft, die einen sehr hohen moralischen Ruf genießt. Diese Menschen waren bei ihren Nachbarn, die viele ihrer religiösen Anschauungen nicht teilten, für ihr Verhalten berühmt. So sehr sie sich in ihrer Kleidung, ihren Sitten und Gebräuchen und ihren Überzeugungen von den anderen unterschieden, sie brachten es
Weitere Kostenlose Bücher