Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition)
gesagt und Walaitas Hand gehalten. »Ich werde bei dir sein bis zum Ende.«
Selbst im schwachen Licht der Hütte hatte Angel die Erleichterung im Gesicht der Kranken gesehen.
Angel ergriff Lauras Hand und hielt sie sanft fest. »Hab keine Angst, Mama«, sagte sie. »Ich werde bei dir sein bis zum Ende. Es wird immer eine Lampe für dich brennen. Die Nacht wird nie ganz dunkel sein.«
Laura lächelte. Tränen liefen ihr aus den Augenwinkeln über die Schläfen in die wirren Haare. »Ich liebe dich, meine Angel. Du bist so … tapfer. Aber du kannst nicht hierbleiben. Du musst aufbrechen.« Ihre Worte kamen stoßweise, unterbrochen von keuchenden Atemzügen. »Ich habe keine Angst vor dem Tod, das weißt du doch. Ich habe Angst um dich. Dass du hier draußen allein zurückbleibst. Du musst Mama Kitu und Matata nehmen …«
»Nein!«, unterbrach Angel sie. »Ich gehe nicht weg.«
Laura schüttelte hilflos den Kopf. »Bitte, sei nicht so stur. Nicht jetzt …«
In diesem Moment kam Matata angelaufen. Er umkreiste Mama Kitu und versuchte, sie zum Aufstehen zu bewegen, damit er trinken konnte. Dabei stupste er auch Laura an.
Angel schob seinen Kopf weg. Sie würde die beiden Kamele wegbringen müssen, damit Laura nicht gestört würde. Sie nahm die Wasserkalebasse vom Sattel, ließ Mama Kitu aufstehen und führte sie zu einer Akazie. Matata folgte ihr wie immer. Sie band das Leitseil an einen der Äste und ging wieder zu Laura zurück. Sie beugte sich über sie und tropfte ihr Wasser auf die Lippen. Laura schluckte ein wenig davon.
»Gut.« Angel nickte. Kranke mussten trinken. Es war immer wichtig, genügend Wasser zu haben.
Die Sonne stand jetzt höher am Himmel, und es wurde immer heißer. In der Nähe wuchsen zwar einige Akazien, aber sie würde es bestimmt nicht schaffen, Laura in ihren Schatten zu schleppen. Aber nicht weit von Lauras Kopf entfernt gab es einen großen Felsen, der in etwa so hoch war wie Angel groß. Angel zog einen kitenge aus der Ledertasche, der, auf einem elfenbeinfarbenen Untergrund, mit rosa und braunen Vögeln bedruckt war. Laura bedeckte damit immer ihren Kopf, wenn sie in ein muslimisches Dorf kamen. Ein Ende legte sie auf den Felsen und beschwerte es mit Steinen. Den Rest des Stoffes drapierte sie über Lauras Körper. Das Tuch ähnelte einem schlecht aufgehängten Moskitonetz und bot keinen Schutz für Lauras Beine und Füße. Aber zumindest waren ihr Gesicht und ihr Körper jetzt vor der Sonne geschützt.
Angel trat einen Schritt zurück und betrachtete den Sonnenschutz voller Stolz. Laura sagte oft zu ihr, wie nützlich und geschickt sie war. Sie sagte, es läge daran, dass Angel Laura so oft bei ihrer Arbeit half. Außerdem war Angel in Dörfern groß geworden, wo schon die kleinen Kinder sich um die Herden kümmerten, statt in die Schule zu gehen, und wenn ihre Eltern krank oder tot waren, mussten sie sich auch um die Babys und Kleinkinder kümmern. »Du bist wie ein afrikanisches Kind«, hatte Laura zu ihrer Tochter gesagt. Angel gefiel die Vorstellung, und sie strengte sich noch mehr an, um stark und vernünftig zu sein.
Bevor sie sich ebenfalls unter das Sonnendach hockte, zog Angel Lauras Hosenbein hoch. Das Knie war jetzt geschwollen und rot, und die straff gespannte Haut wölbte sich unter dem Rand des Schals hervor. Angel biss sich auf die Lippe. Ob sie den Schal wohl abnehmen konnte? Es sah so unbequem aus. Aber Laura hatte die Bandage so sorgfältig angelegt, dass sie sie wohl besser nicht anfasste.
Angel hockte sich neben Lauras Kopf. Licht drang durch den Stoff und warf einen rosigen Schein auf das Gesicht ihrer Mutter. Sie sah beinahe gesund aus, wenn man von dem grauen Speichel absah, der sich an ihrem Mundwinkel bildete. Angel wischte ihn weg, aber er kam immer wieder.
Die Zeit dehnte sich. In einem Moment verging sie ganz langsam, und dann wieder unglaublich schnell. Es kam Angel so vor, als sei es noch nicht lange her, dass Laura und sie in Richtung der manyata geritten waren und darüber geredet hatten, was sie sich in der Stadt kaufen wollten. Aber dann stellte Angel fest, dass der gelegentliche Schluck Wasser – einer für sie und einer in Lauras Mund getröpfelt – die Kalebasse schon beinahe geleert hatte. Bald würde sie eine neue Flasche von Mama Kitus Sattel holen müssen.
Sie blickte über das heiße, trockene Land. Das pastellfarbene Morgenlicht war einer gleißenden Helle gewichen. Sand und Felsen hatten wieder ihre natürliche Farbe
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