Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition)
nickte Ndisi anerkennend zu.
»Vizuri sana«, sagte sie. »Asante.«
»Si neno«, erwiderte er lächelnd. Er wandte sich an Emma. »Bitte, Sie sind bestimmt sehr hungrig.«
»Ja, das bin ich.« Aus dem Topf stieg würziger Dampf auf.
»Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, dass Essen auf den Teppich tropfen könnte«, sagte George und schluckte einen Bissen heinunter. »Er wird von selber wieder sauber. Diese Dinger sind von Beduinen gewebt worden. Das ist der originale Safari-Zelt-Boden.«
Emma nahm sich Brei. Es war überraschend einfach, eine kleine Schale zu formen und damit das Stew zu löffeln. Als sie das Fleisch probierte, schloss sie die Augen vor Entzücken. Das Perlhuhn war zart und saftig und fiel fast vom Knochen. Die Sauce war mit Kapern gewürzt, die einen leicht bitteren Geschmack hatten, der die Schärfe ein wenig milderte.
»Es schmeckt sehr gut, Ndisi«, sagte sie.
Er neigte den Kopf.
»Ausgezeichnet.« George lächelte Ndisi zu, dann betrachtete er die Schar seiner Gäste und Löwen. Er schüttelte den Kopf, als könne er es kaum glauben, dass sie alle hier zusammensaßen. Er blickte wieder zu Ndisi. »Sag mir, wie ist es im Dorf? Geht es Samu besser?« Für die anderen fügte er erklärend hinzu: »Samu ist einer meiner Gehilfen. Er hat Malaria gehabt.«
»Alles ist gut«, erwiderte Ndisi. »Er hat das dawa geschluckt, das du ihm geschickt hast, und ist beinahe wieder gesund.«
»Nun, das ist erfreulich«, sagte George. »Ich muss dir ein paar Moskitonetze für die Kinder mitgeben.«
Emma hielt inne. »Ich habe gehört, dass die Leute, die hier im Camp arbeiten, niemals krank werden.« Sie bedauerte ihre Worte in dem Moment, in dem sie sie ausgesprochen hatte; es klang, als sei sie so naiv, etwas zu glauben, was gar nicht wahr sein konnte.
»Ich kenne diese Geschichte«, erwiderte George. »Sie geht auf das Jahr 2007 zurück – als die Olambo-Fieber-Epidemie ausgebrochen war. Die Leute hier im Ort haben grauenhaft darunter gelitten. Ganze Familien wurden ausgelöscht. Aber meine Leute und ihre Familien kamen völlig unbeschadet davon. Es war wie die biblische Geschichte vom Engel, der die Türen an den Häusern der Israeliten markiert, damit die Plage an ihnen vorübergeht.«
»Ja, genauso war es«, bestätigte Ndisi. »Unsere Nachbarn starben einer nach dem anderen – sie verbluteten. Und wir blieben alle gesund.« Er verzog kummervoll das Gesicht.
Emma warf Daniel einen Blick zu. Er hatte aufgehört zu essen und schaute Ndisi wie gebannt an. Aber er sagte nichts.
»Laura hat auch Leute gesehen, die geblutet haben«, durchbrach Angel das Schweigen. Emma wandte sich ihr zu, Angel blickte auf ihre Hände, die sie im Schoß gefaltet hatte. »Sie kamen zu den Barmherzigen Schwestern, und Laura half ihnen, sie zu pflegen. Ich durfte nicht mitgehen, weil sie zu krank waren. Eines Tages kam sie nach Hause und hatte die ganzen Kleider voller Blut. Sie musste sie wegwerfen.«
Emma starrte Angel an und versuchte, sich vorzustellen, wie sie damit fertiggeworden war, ihre Mutter in so einem Zustand zu sehen. Wut stieg in ihr auf. Wie kam Laura dazu, ihr Kind so einer schrecklichen Situation auszusetzen? Und warum verbrachte sie ihre Zeit damit, todkranke Leute zu pflegen, obwohl sie sich doch eigentlich um ihre Tochter hätte kümmern müssen? Emma blickte auf den Teppich und bohrte mit dem Finger eine Bahn durch die Wolle. Plötzlich fiel ihr ein, wie sie als Kind am Schultor gestanden und auf Mrs. McDonald gewartet hatte. Die Eltern ihrer Freundinnen hatten ähnliche Kommentare abgegeben. Warum arbeitete Susan Lindberg überhaupt noch im Ausland? Warum nahm sie solche Risiken auf sich? Direkte Antworten auf diese Fragen gaben sie nie, aber sie machten aus ihrer Meinung kein Hehl. Susan lag mehr an der Arbeit als an ihrem kleinen Mädchen. Fremde waren ihr wichtiger als ihre eigene Familie. Emma stieß den Finger tiefer in die Wolle. Als Kind hatte sie nie hören wollen, dass jemand Susan kritisierte, und wenn sich die Gelegenheit ergab, verteidigte sie ihre Mutter. Aber jetzt, wo sie den Schmerz auf Angels Gesicht sah, stieg lange unterdrückte Wut in ihr auf, heiß und scharf. Warum hatte Susan nicht gesehen, dass ihre Tochter sie brauchte? Dass sie eine Mutter brauchte, die lebte …
Emma hob den Kopf und blickte Angel an. Ihre Wut wich Mitgefühl. Das Kind starrte mit weit aufgerissenen Augen vor sich hin. Emma sah, dass auch Moyo das Gesicht sorgenvoll verzogen hatte und die
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