Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition)
sich zu einem Lächeln. Die Hütten sahen sehr primitiv aus. Sie war sich nicht sicher, ob sie überhaupt Türen hatten.
Ndisi wandte sich an Daniel. »Wollen Sie in einer Hütte schlafen?« Verlegen fügte er hinzu: »Ich meine …«
»Ich lege mich zu den anderen nach draußen«, sagte Daniel.
Ndisi nickte. »Ich bringe Ihnen ein Feldbett.« Er begann, die Becher zusammenzuräumen, und stellte sie mit der Teekanne und dem Milchkrug auf ein Tablett. Emma stand auf und bot ihre Hilfe an.
»Sie wollen sich bestimmt waschen, bevor Sie ins Bett gehen«, sagte Ndisi. »Ich kann Wasser für eine Dusche heiß machen, wenn Sie wollen.«
»Heißes Wasser brauche ich nicht.« Emma wollte nicht als mäkelige Ausländerin gelten. »Aber ich würde mich gerne waschen.« Vielleicht gab es ja eine Waschhütte oder zumindest einen Waschkrug in der Gästehütte.
Ndisi trat zu einem Schrank neben dem Kühlschrank. Er reichte ihr zwei gefaltete Handtücher, die dünn vom Gebrauch und grau vom Waschen im staubigen Wasser waren. Mit dem Kinn wies er auf den Wassertank, wo sich Angel und George die Hände gewaschen hatten. »Dort liegt Seife in einem Becher. Wir haben einen Stein daraufgelegt, damit die Ratten nicht darangehen. Dort ist auch ein Becken für das Wasser.« Er warf Emma einen strengen Blick zu. »Wir sind hier nicht in Kalifornien. Bitte verbrauchen Sie nicht zu viel.«
»Ich werde vorsichtig damit umgehen«, versprach Emma. Vermutlich hatte er irgendwann einmal einen amerikanischen Gast zurechtweisen müssen. George hatte zwar gesagt, Touristen seien im Camp nicht zugelassen, aber eingeladene Gäste kamen ja offensichtlich doch hierher. Es gab eine Hütte für sie, und bei den Fotos der Löwen hatte Emma auch einige Aufnahmen gesehen, auf denen Menschen abgebildet waren – Ndisi, natürlich, und George, aber auch Leute im mittleren Alter, reich aussehende Ausländer. Vermutlich waren das Wohltäter, die mit ihren Spendengeldern das Projekt unterstützten. Ein paar Mal tauchte auch eine junge Frau mit lockigen Haaren auf. Sie fütterte Löwenjunge, ging mit einer Löwin spazieren und saß auch hier in der Esshütte und benutzte die alte Schreibmaschine, die, wie man auf den Fotos erkennen konnte, auf einer umgedrehten Teekiste in der Ecke stand.
Emma nahm ihre Tasche und ging nach draußen. Einen Moment blieb sie stehen und beobachtete Angel und George, die ein zusammengeklapptes Feldbett durch die Tür seiner Hütte zogen. Moyo schnüffelte am Boden und drehte sich mehrmals um sich selbst, um die Stelle zu erkunden, auf der sie sich niederlassen wollte.
Mit der angefeuchteten Ecke eines Handtuchs wusch sich Emma rasch das Gesicht. Sie enthüllte ihren Körper Stück für Stück, da sie nicht nackt im Freien stehen wollte. Hier draußen existierte kein Gefühl von Privatsphäre und keine Trennung von der Außenwelt. Zwischen ihr und der Wildnis außerhalb des Camps gab es nur einen dünnen Maschendrahtzaun. Sie nahm frische Wäsche aus der Tasche und betrachtete ihren pfirsichfarbenen Seidenpyjama – sie hatte ihn extra für die Reise nach Afrika eingepackt, weil er leicht zu waschen und zu trocknen war und nicht gebügelt zu werden brauchte. Sie beschloss, ihn erst in der Hütte anzuziehen. Für den Augenblick zog sie ein frisches T-Shirt und eine Unterhose an. Sie wusste, wie weich die Pyjamajacke über ihre Brüste fiel und wie die Hose sich an ihre Schenkel schmiegte. Sie dachte daran, wie Daniel mit nacktem Oberkörper Mama Kitus Fuß behandelt hatte. Der Schweißfilm auf seiner Haut hatte auch seidig geschimmert.
Plötzlich raschelte es über Emmas Kopf, und sie erstarrte. Als sie nach oben blickte, sah sie ein kleines Tier, das über einen Ast rannte. Der Form nach konnte es eine Ratte sein. Rasch zog Emma sich an und schlüpfte in ihre Stiefel. Sie bündelte ihre schmutzigen Sachen und griff nach ihrer Tasche. Zum Glück dachte sie noch daran, den Stein wieder auf den Becher mit der Seife zu legen, dann ging sie rasch weg.
Eine Laterne, die von einem Ast herabhing, warf einen Lichtschein auf den Raum vor der Esshütte, so dass die Szene aussah wie auf einer Bühne. Zwei mit Leinwand bespannte Liegen waren nebeneinander aufgestellt. Eine war mit Decke und Kissen in verblichener, gestreifter Bettwäsche bezogen, auf der anderen lag ein noch nicht aufgerollter Schlafsack und eine gefaltete kitenge, die Emma von dem Picknick am Morgen wiedererkannte.
Moyo lag am Fußende von Georges Bett wie ein
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