Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition)

Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Scholes
Vom Netzwerk:
und hüllte sie ein. Sie stellte sich vor, wie Lauras Körper in ein kaltes Grab auf einem regengepeitschten Friedhof gelegt wurde. Sie stellte sich Angel vor, allein auf einem asphaltierten Schulhof, umgeben von Mauern, während ihre Kamele für immer unerreichbar für sie in einem weit entfernten Land zurückblieben. Sie fragte sich, ob der Onkel wohl eine Frau oder eine Partnerin hatte, ob Angel eine Stiefmutter bekommen würde. Vielleicht würde es ja auch noch andere Kinder geben. Dunkle Vorahnungen stiegen in Emma auf. Würde sie so durchs Leben gehen müssen wie sie selbst damals, in dem Gefühl, nirgendwo wirklich hinzugehören? Aber so musste es natürlich nicht sein, mahnte Emma sich. Das Leben von zwei Menschen mit dem gleichen Schicksal war nicht zwangsläufig vergleichbar.
    »Wir müssen die Polizei informieren«, sagte Daniel.
    Emma blickte ihn an. »Angel hat mich gebeten, ob wir noch zwei Tage warten könnten, bis wir jemandem Bescheid sagen – und ich habe ja gesagt.«
    »Das finde ich auch!«, erklärte George. »Sie ist gerade erst aus dem Busch gekommen und kann jetzt noch nicht der Welt entgegentreten. Wenn sie einer meiner Löwen wäre, würde ich sie mindestens ein paar Wochen ungestört hierbehalten.« Er brach ab und verzog zweifelnd das Gesicht. »Aber wenn ihr Onkel hier ist, müssen wir ihn informieren, bevor er wieder abreist.«
    Emma klopfte mit dem Fingernagel auf die Tischplatte. Natürlich wäre es korrekt, die Behörden sofort zu informieren. Es verstieß wahrscheinlich gegen das Gesetz, wenn sie es nicht taten. Aber als sie den Ausdruck auf Angels Gesicht gesehen hatte, hatte Emma eine Verpflichtung dem Kind gegenüber empfunden. Sie wusste plötzlich, dass sie das Mädchen nicht im Stich lassen würde. »Die zwei Tage muss sie wenigstens bekommen.«
    »Ich stimme Ihnen zu«, sagte Daniel. »Morgen Abend bei Einbruch der Dunkelheit schicken wir den Funkspruch. So können sie den Onkel informieren, aber es ist dann zu spät, um noch jemanden hierherzuschicken.«
    Plötzlich tauchte Angel am Eingang der Hütte auf. Sie lief barfuß, und deshalb hatten sie sie nicht gehört. Die drei Erwachsenen blickten auf, sagten aber nichts.
    »Wo ist mein Strickzeug?«, fragte sie Emma. Ihr fröhliches Gesicht und ihre helle Stimme durchbrachen die Spannung. »Ich möchte Ndisi zeigen, wie man strickt.«
    Emma lächelte bei dem Gedanken, wie der Koch über rechten und linken Maschen grübelte. Sie wies auf den Korb, der auf der Anrichte stand. »Dort ist es.«
    »Danke.« Angel lächelte ihr zu, rannte zum Korb und holte das Strickzeug heraus. Wie der Blitz war sie wieder weg.

    Das Wasser im Becken war grau und körnig vom Wüstenstaub. Emma wusch Angels braune Tunika aus. Sie konnte nicht besonders gut mit der Hand waschen – zu Hause brachte sie alles, was sie nicht in die Waschmaschine tun konnte, in die Reinigung –, aber nachdem sie das Kleidungsstück zweimal gespült und ausgewrungen hatte, waren die meisten Flecken herausgewaschen. Ihre Leistung erfüllte sie mit seltsamer Befriedigung. Sie hob die nasse Tunika aus dem Wasser und trug sie zu dem Baum vor der Esshütte. Dort hängte sie sie zum Trocknen über einen Ast. Dann wandte sie sich der Hose zu. Als auch sie gründlich gewaschen war, schüttelte sie sie aus und legte sie über einen Busch. Emma betrachtete die beiden Kleidungsstücke. Irgendwie sahen sie so klein und empfindlich aus, als ob sie aus viel zarterem Stoff als gewebter Baumwolle bestünden. Selbst nass schienen sie sich an den Körper eines kleinen Mädchens zu schmiegen. Bei dem Anblick wurde Emma schmerzlich bewusst, dass sie nie ein eigenes Kind haben würde, das so kleine Sachen tragen konnte. Sie dachte eigentlich nicht oft daran. Die Entscheidung war getroffen worden, und jetzt sollte sie nicht ständig hinterfragt werden. Aber als sie dastand und Angels Kleider betrachtete, dachte sie unwillkürlich noch einmal an die Gründe für ihren Entschluss zurück. Klar war, dass in Emmas Leben kein Platz für ein Kind war. Ihre Prioritäten hatte sie gesetzt, als sie mit sechzehn Jahren beschlossen hatte, in Susans Fußstapfen zu treten. Um das zu erreichen, hatte sie mit ungebrochenem Eifer studiert. Und jetzt erledigte sie ihre Arbeit am Institut mit der gleichen Hingabe. Als sie und Simon sich kennenlernten, hatten sie erkannt, dass sie beide ihre Berufe über alles stellten – und deshalb passten sie auch so gut zueinander. Aber als Emma Simon besser

Weitere Kostenlose Bücher