Das Herz Eines Highlanders
elf Uhr tupfte Elizabeth St. Clair anmutig ihre Tränen mit einem zierlichen Taschentuch fort. »Du siehst bezaubernd aus, Jillian«, sagte sie mit einem innigen Seufzer. »Sogar noch bezaubernder, als ich ausgesehen habe.«
»Du denkst nicht, dass die Tränensäcke unter meinen Augen das Ganze beeinträchtigen, Mama?«, fragte Jillian verbittert. »Wie steht es mit meinem grimmig verzerrten Mund? Ich lasse die Schultern hängen und meine Nase ist knallrot vom Weinen. Du bist nicht der Meinung, dass man meine Erscheinung ein wenig merkwürdig finden könnte?«
Elizabeth schniefte, setzte eine Kopfbedeckung auf Jillians Haar und zog einen hauchdünnen Schleier aus tiefblauer Gaze über das Gesicht ihrer Tochter. »Dein Vater denkt an alles«, sagte sie mit einem Achselzucken.
»Ein Schleier? Wirklich, Mama. Niemand trägt in der heutigen Zeit einen Schleier.«
»Stell dir vor, du wirst eine neue Mode kreieren. Zum Ende des Jahres werden ihn wieder alle tragen«, zwitscherte Elizabeth.
»Wie kann er mir das antun, Mama? In dem Wissen um die Liebe, die ihr miteinander teilt, wie kann er es rechtfertigen, mich zu einer lieblosen Heirat zu verdammen?«
»Quinn liebt dich wirklich, also wird sie nicht lieblos sein.«
»Es geht um mich.«
Elizabeth ließ sich auf der Bettkante nieder. Einen Augenblick lang beschäftigte sie sich mit dem Fußboden, dann sah sie Jillian in die Augen.
»Es geht dir nahe«, sagte Jillian, seltsam beruhigt von dem Mitgefühl in Elizabeths Blick.
»Natürlich geht es mir nahe, Jillian. Ich bin deine Mutter.« Elizabeth betrachtete sie einen schwermütigen Moment lang. »Liebling, quäle dich nicht, dein Vater hat einen Plan. Ich hatte nicht vor, dir das zu erzählen, aber er plant nicht, dich das Ganze durchstehen zu lassen. Er glaubt, dass Grimm kommen wird.«
Jillian schnaubte. »Das habe ich auch geglaubt, Mama. Aber es sind noch zehn Minuten und von dem Mann ist weit und breit nichts zu sehen. Was wird Papa tun? Die Hochzeit mittendrin stoppen, wenn er nicht auftaucht? Vor fünfhundert Gästen?«
»Wie du weißt, hat sich dein Vater noch nie vor einem Skandal gefürchtet. Der Mann entführte mich von meiner Hochzeit. Ich glaube fest, dass er hofft, dir möge dasselbe geschehen.«
Jillian lächelte schwach. Die Geschichte der >Werbung< ihres Vaters um ihre Mutter hatte sie seit frühester Kindheit gefesselt. Ihr Vater war ein Mann, von dem Grimm noch etwas lernen konnte. Grimm Roderick sollte nicht wegen ihr mit sich kämpfen, er sollte für sie gegen den Rest der Welt kämpfen. Jillian atmete tief durch, hoffte, wo es nichts mehr zu hoffen gab, und malte sich für sich selbst eine solche Szene aus.
»Wir haben uns heute hier zusammengefunden, in der Gesellschaft von Familie, Freunden und Gratulanten, um dieses Paar in den heiligen, unzerstörbaren Bund ...«
Wütend blies Jillian gegen ihren Schleier. Obwohl er ein wenig aufbauschte, bekam sie keine klare Sicht. Der Priester war bläulich verfärbt, Quinn war bläulich verfärbt. Gereizt zupfte sie an dem Schleier. Keine rosengetönten Farben für sie an ihrem Hochzeitstag, und warum auch? Hinter den hohen Fenstern fiel der Graupelregen in nebelhaften blauen Schwaden.
Sie blickte verstohlen zu Quinn, der neben ihr stand. Ihre Augen befanden sich in Höhe seiner Brust. Trotz ihrer Verzweiflung musste sie zugeben, dass er ein überwältigender Mann war. Königlich gekleidet in einen feierlichen Tartan, hatte er das lange Haar aus seinem markanten Gesicht zurückgekämmt. Die meisten Frauen wären begeistert, neben ihm stehen zu dürfen und die lebenslang bindenden Gelübde abzulegen, ihm als Herrin seines Besitzes zur Seite zu stehen, ihm hübsche blonde Kinder zu schenken und das Leben mit ihm bis ans Ende ihrer Tage zu genießen.
Doch er war der falsche Mann. Er wird mich holen, er wird mich holen, ich weiß es, wiederholte Jillian immer wieder schweigend, als handle es sich um einen magischen Spruch, der aus der schieren Wiederholung seine Macht schöpfte.
Im Vorbeipreschen riss Grimm eine weitere Bekanntmachung von der Mauer einer Kirche. Er knüllte sie zusammen und verstaute sie in einem Beutel, der von zerknittertem Pergament überquoll. In dem kleinen Hochlanddorf Tummans hatte er die erste Bekanntmachung gesehen, angenagelt an eine baufällige Baracke. Zwanzig Schritte weiter hatte er die zweite gefunden, dann die dritte und die vierte.
Jillian St. Clair heiratete Quinn de Moncreiffe. Er fluchte wütend.
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