Das Herz Eines Highlanders
außerordentlicher Stärke war.« Jillian warf einen schnellen Blick auf Ronin; er grinste übers ganze Gesicht.
Ermutigt von Ronins Begeisterung, sah sie Grimm direkt in die Augen und fuhr fort. »Der Löwe war hingerissen. Am nächsten Tag suchte er den Vater der Frau auf, öffnete sein Herz und hielt um ihre Hand an. Der Vater der Frau war besorgt wegen des bestialischen Wesens des Löwen, ungeachtet der Tatsache, dass seine Tochter damit bestens zurechtkam. Ohne Wissen der Tochter stimmte der Vater zu, die Werbung des Löwen unter der Voraussetzung zu akzeptieren, dass der Löwenkönig ihm gestattete, ihm seine Krallen herauszureißen und die Zähne zu ziehen, um ihn zahm und harmlos zu machen. Der Löwe war unsterblich verliebt. Er stimmte zu und so geschah es.«
»Noch ein Samson und eine Delilah«, murmelte Grimm.
Jillian schenkte ihm keine Beachtung. »Als der Löwe danach sein Recht geltend machen wollte, jagte ihn der Vater mit Stöcken und Steinen aus dem Haus, denn das Tier war keine Bedrohung mehr, keine Furcht erregende Kreatur.«
Jillian hielt bedeutungsvoll inne und Balder und Ronin klatschten in die Hände. »Wunderbar erzählt!«, rief Ronin aus. »Das war auch die Lieblingsgeschichte meiner Frau.«
Grimm schaute finster. »Das ist das Ende? Was zum Teufel war die Pointe dieser Geschichte?«, fragte er beleidigt. »Dass die Liebe einen Mann schwächt? Dass er die Frau, die er liebt, verliert, wenn sie ihn entmannt sieht?«
Ronin sah ihn geringschätzig an. »Nein, Junge. Die Pointe dieser Fabel ist, dass die Liebe selbst den Mächtigen bescheiden werden lässt.«
»Wartet - es geht noch weiter. Die Tochter«, sagte Jillian leise, »von seiner Bereitschaft, so uneingeschränkt zu vertrauen, zutiefst bewegt, floh aus dem Haus ihres Vaters und heiratete den Löwenkönig.« Sie verstand jetzt Grimms Angst. Welches Geheimnis auch immer er barg, er hatte Angst, dass sie ihn verlassen würde, sobald sie es entdeckte.
»Trotzdem ist das eine ausgesprochen schlechte Geschichte!«, donnerte Grimm und fuchtelte ärgerlich mit der Hand umher. Er traf seinen Becher, der flog über den Tisch und sein Inhalt ergoss sich über Ronin. Grimm starrte einen langen, angespannten Moment auf den nassen Fleck, der sich auf dem weißen Leinenhemd seines Vaters ausbreitete. »Entschuldigt mich«, sagte er schroff, stieß seinen Stuhl zurück und verließ mit großen Schritten den Raum, ohne sich umzublicken.
»Ach, Mädchen, er kann manchmal ziemlich anstrengend sein, fürchte ich«, sagte Ronin mit entschuldigendem Blick und tupfte mit einem Tuch sein Hemd ab.
Jillian stocherte in ihrem Frühstück herum. »Ich wünschte, ich würde verstehen, was eigentlich los war.« Sie blickte die Brüder hoffnungsvoll an.
»Du hast ihn nicht gefragt, stimmt's?«, bemerkte Balder.
»Ich will ihn ja fragen, aber ...«
»Aber du ahnst, dass er dir möglicherweise keine Antworten geben kann, weil er sie selbst nicht kennt, richtig?«
»Ich wünschte nur, er würde mit mir darüber reden! Wenn nicht mit mir, dann doch wenigstens mit Euch«, sagte sie zu Ronin. »Da ist so viel in ihm eingeschlossen, ich habe keine Ahnung, was ich tun soll, außer ihm Zeit zu geben.«
»Er liebt dich, Mädchen«, versicherte ihr Ronin. »Es steht in seinen Augen, in der Art, wie er dich berührt, in der Art, wie er sich bewegt, wenn du in der Nähe bist. Du bist der Mittelpunkt seines Herzens.«
»Ich weiß«, sagte sie schlicht. »Ich zweifle nicht daran, dass er mich liebt. Aber Vertrauen ist ein wesentlicher Bestandteil von Liebe.«
Balder sah seinen Bruder mit stechendem Blick an. »Ronin wird heute mit ihm reden, nicht wahr, Bruder?« Er erhob sich von der Tafel. »Ich werde dir ein frisches Hemd holen«, fügte er hinzu und verließ den Hauptsaal.
Ronin zog sein von Cidre durchtränktes Hemd aus, hängte es über einen Stuhl und wischte seinen Körper mit einem Leinentuch ab. Der Cidre hatte ihn völlig durchnässt.
Jillian beobachtete ihn neugierig. Sein Oberkörper war gut geformt und kräftig. Er hatte eine breite Brust, gebräunt von Jahren in der Hochlandsonne und behaart wie Grimms. Und wie Grimms war sie frei von Narben oder Muttermalen, eine weite, makellose Fläche olivfarbener Haut. Sie konnte sich nicht helfen, sie starrte ihn an, völlig verwirrt ob der Tatsache, dass nicht eine einzige Narbe den Oberkörper eines Mannes zierte, der angeblich unzählige Schlachten geschlagen hatte, bei denen er zu seinem Schutz nicht mehr
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