Das Herz Eines Highlanders
Der Selkie?«
»Erzähl mir von den Berserkern«, sagte er entschlossen.
»Von was?«
»Von den Berserkern«, sagte Zeke nachsichtig. »Du weißt schon, die mächtigen Krieger Odins.«
Jillian seufzte leise. »Was haben Jungens nur immer mit ihren Schlachten? Auch meine Brüder liebten dieses Märchen.«
»Das ist kein Märchen, es ist wahr«, ließ Zeke sie wissen. »Mama hat mir erzählt, dass sie noch immer in den Highlands umhersteifen.«
»Unsinn«, sagte Jillian. »Ich werde dir eine Geschichte erzählen, die zu einem kleinen Jungen passt.«
»Ich will keine passende Geschichte. Ich will eine Geschichte mit Rittern und Helden und Abenteuern. Und Berserkern.«
»Oje, du wirst erwachsen, wie?«, sagte Jillian trocken und fuhr ihm durch das Haar.
»Natürlich«, sagte Zeke beleidigt.
»Keine Berserker. Ich werde dir stattdessen von dem Jungen und den Nesseln erzählen.«
»Ist das wieder so eine von den Geschichten mit einer Moral!«, maulte Zeke.
Jillian rümpfte die Nase. »Es ist nichts verkehrt an Geschichten, die eine tiefere Moral haben.«
»Gut. Erzähl mir von den blöden Nesseln.« Er stützte das Kinn auf seine Faust und schmollte.
Jillian lachte über seinen trotzigen Gesichtsausdruck. »Ich sag dir was, Zeke. Ich erzähle dir eine Geschichte mit einer Moral und dann kannst du Grimm suchen und ihn bitten, dir die Geschichte deiner furchtlosen Krieger zu erzählen. Ich bin sicher, dass er sie kennt. Er ist der furchtloseste Mann, der mir je begegnet ist«, fügte Jillian mit einem Seufzen hinzu. »Es geht los. Pass auf:
Es war einmal ein kleiner Junge, der ging durch den Wald und kam an einen Platz mit Nesseln. Fasziniert von dem ungewöhnlichen Büschel, versuchte ei; sie zu pflücken, um sie mitzunehmen und seiner Mama zu zeigen. Die Pflanze stach ihn schmerzhaft und er rannte mit brennenden Fingern nach Hause. >Ich habe sie kaum berührt, Mama!<, weinte der Junge.
>Das ist genau der Grund, weshalb sie dich gestochen hat<, antwortete seine Mama. >Das nächste Mal, wenn du eine Nessel berührst, fasse sie fest an, und sie wird in deiner Hand so weich sein wie Seide und dich kein bisschen verletzen.<« Bedeutungsvoll hielt Jillian inne.
»Das war alles}«, beschwerte sich Zeke wütend. »Das war keine Geschichte! Du hast mich reingelegt!«
Jillian biss sich auf die Lippe, um nicht lachen zu müssen; er sah aus wie ein beleidigtes Bären junges. Sie war müde von der Reise und ihre Erzählkunst war momentan ein wenig schwächlich, aber die Geschichte enthielt eine nützliche Lektion. Außerdem war der größte Teil ihres Verstandes mit Gedanken an den unglaublichen Kuss beschäftigt, den sie gestern erhalten hatte. Es bedurfte jedes Quäntchens ihrer schwindenden Selbstbeherrschung, sie davon abzuhalten loszurennen, Grimm zu finden, sich in seinen Schoß zu kuscheln und ihn zärtlich um eine Gutenachtgeschichte anzubetteln. Oder, genauer gesagt, um eine gute Nacht. »Sag mir, was die Geschichte bedeutet, Zeke«, redete Jillian ihm zu.
Zeke schwieg einen Moment lang und dachte über die Geschichte nach. Seine Stirn legte sich vor Konzentration in Falten und Jillian wartete geduldig. Von all den Kindern war Zeke der cleverste, wenn es darum ging, einer Sache auf den Grund zu gehen. »Ich hab's!«, rief er aus. »Ich soll nicht zögern. Ich soll einfach zugreifen. Wenn du unentschlossen bist, kannst du gestochen werden.«
»Was auch immer du tust, Zeke«, riet ihm Jillian, »tue es mit all deiner Kraft.«
»Wie Reiten lernen«, folgerte er.
»Ja. Und deine Mama lieben und mit den Pferden arbeiten und die Lektionen lernen, die ich dir gebe. Wenn du dich nicht mit aller Kraft den Dingen hingibst, wirst du am Ende von den Dingen verletzt werden, denen du dich nur halbherzig widmest.«
Zeke gab ein unzufriedenes Schnaufen von sich. »Na ja, es ist nicht gerade der Berserker, aber ich denke, es ist in Ordnung - für ein Mädchen.«
Jillian gab einen verstimmten Laut von sich und drückte Zeke ungeachtet seines ungeduldigen Zappeins eng an sich. »Ich verliere dich bereits, nicht wahr, Zeke?«, fragte sie, als der Junge auf der Suche nach Grimm aus dem Lichthof rannte. »Wie viele Jungen werden sich noch von mir abwenden?«, murmelte sie traurig.
Vor dem Abendessen sah Jillian nach Quinn und Ramsay. Die beiden Männer schliefen fest, erschöpft von der Rückreise nach Caithness. Grimm hatte sie seit ihrer Rückkehr nicht mehr gesehen; er hatte die Patienten versorgt und war gegangen.
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