Das Herz ist ein einsamer Jäger (German Edition)
mag ich gern.«
»Ich schau mal«, sagte Mick.
»Aber von Bonbons hab ich jetzt eigentlich genug«, sagte Bubber. »Vielleicht findest du ja ’ne Geschichte mit ’nem Schinkenbrot. Und wenn du so eine nicht findest, dann möcht ich ’ne Geschichte mit Cowboys.«
Sie war schon am Gehen, da blieb sie plötzlich stehen und starrte auf die Straße. Auch die Kinder standen da und starrten. Sie standen alle ganz still und starrten Baby Wilson an, die auf der anderen Straßenseite die Stufen ihres Hauses herunterkam.
»Sieht Baby nicht süß aus!«, sagte Bubber leise.
Vielleicht lag es daran, dass es nach den vielen Regenwochen plötzlich so warm und sonnig war, vielleicht auch daran, dass ihnen an dem schönen Nachmittag ihre dunklen Wintersachen hässlich vorkamen. Jedenfalls sah Baby aus wie eine Elfe oder wie eine Figur aus dem Film. Sie hatte das Kostüm an, das sie voriges Jahr zum Schülerabend getragen hatte: ein ausgestelltes rosa Tüllröckchen, dazu ein rosa Hemdchen, rosa Ballettschuhe und sogar ein rosa Handtäschchen. Mit ihrem hellen Haar schimmerte sie rosa, weiß und golden – und war so sauber und zierlich, dass es beinah weh tat, sie anzusehen. Sie trippelte graziös die Straße hinunter, ohne sie zu beachten.
»Komm doch her«, sagte Bubber. »Zeig doch mal dein rosa Handtäschchen…«
Baby ging mit abgewandtem Kopf an ihnen vorbei. Sie hatte beschlossen, nicht mit ihnen zu reden.
Zwischen dem Gehsteig und dem Fahrdamm lag ein Grünstreifen. Als Baby dort angelangt war, blieb sie kurz stehen, um einen Handstand und einen Salto vorzuführen.
»Sieh bloß nicht hin«, sagte Spareribs. »Die spielt sich immer so auf. Jetzt geht sie ins Café zu Mister Brannon und holt sich was Süßes. Ist ja ihr Onkel, da kriegt sie’s umsonst.«
Bubber stellte das Gewehr auf den Boden. Die große Waffe wurde ihm zu schwer. Während er Baby nachsah, zerrte er fortwährend an seinen zerzausten Haarsträhnen. »So ’n süßes rosa Handtäschchen«, sagte er.
»Ihre Mama redet immerzu von ihrem Talent«, sagte Spareribs. »Die will, dass Baby zum Film geht.«
Nun war es zu spät, um in die Bibliothek zu gehen. Das Abendessen musste bald fertig sein. Ralph fing an zu brüllen; sie nahm ihn aus dem Wagen und setzte ihn auf die Erde. Es war jetzt Dezember, und für ein Kind in Bubbers Alter lag der Sommer schon weit zurück. Im Sommer war Baby fast jeden Tag in ihrem rosa Tanzkostüm auf die Straße gekommen und hatte getanzt. Zuerst hatten die Kinder sie umringt und bestaunt, aber bald hatten sie es satt. Nun schaute nur noch Bubber hin, wenn sie auf der Straße tanzte. Er setzte sich auf den Kantstein, und wenn ein Auto kam, stieß er einen Warnschrei aus. Er hatte Baby schon hundertmal tanzen sehen – aber seit letztem Sommer waren drei Monate vergangen, und jetzt war es wieder etwas ganz Neues für ihn.
»Wenn ich doch bloß ein Kostüm hätte«, sagte Bubber.
»Was denn für eins?«
»So’n ganz luftiges. So ’n richtig hübsches in allen Farben. Wie ein Schmetterling. Das wünsch ich mir zu Weihnachten. Das und ein Fahrrad!«
»So was Affiges«, sagte Spareribs.
Bubber hob das große Gewehr wieder hoch und zielte auf ein Haus auf der anderen Straßenseite. »Wenn ich so ’n Kostüm hätte, dann würd ich immer darin rumtanzen. Das zieh ich dann jeden Tag zur Schule an.«
Mick setzte sich auf die Verandastufen und behielt Ralph im Auge. Bubber war gar nicht affig, wie Spareribs gesagt hatte. Er mochte einfach hübsche Sachen. Eigentlich hätte sie dem dummen Spareribs eine runterhauen sollen.
»Man muss sich alles erkämpfen«, sagte sie langsam. »Ich hab schon oft festgestellt, dass grade die jüngeren Kinder in einer Familie am besten geraten. Die jüngsten Kinder sind nämlich immer besonders zäh. Ich bin ganz schön robust, weil ich ziemlich viele über mir hab. Bubber – der sieht kränklich aus und mag hübsche Sachen, aber im Grund ist er sehr kräftig. Wenn das alles stimmt, dann wird Ralph sicher ’n richtiger Kraftprotz, wenn er erst laufen kann. Er ist zwar grad erst anderthalb, aber man sieht schon jetzt, dass was Hartes und Zähes in ihm ist.«
Ralph sah sich um, weil er merkte, dass von ihm gesprochen wurde. Spareribs setzte sich auf die Erde, riss Ralph die Mütze vom Kopf und fuchtelte ihm damit vor dem Gesicht herum, um ihn zu ärgern.
»Pass bloß auf!«, rief Mick. »Du weißt doch, was ich mit dir mache, wenn du ihn zum Heulen bringst. Lass das lieber.«
Alles war
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