Das Herz ist eine miese Gegend
solcher Art überhaupt interessiert hätte. Seinerseits hielt der Beelzebub das nämlich für reines Satansgeschwätz. Chefsatan Jimmy Carter wurde, wiederum unter Mitwirkung des Beelzebubs, durch Chefsatan Ronald Reagan ersetzt. Zum Teufel war auch so gut wie jede Errungenschaft der Achtundsechziger außer vielleicht ein paar noch nicht gestutzter Haarschöpfe in den Lehrerzimmern der Provinz.
Ilse hatte sich angewöhnt, alle paar Monate spät nachts in volltrunkenem Zustand anzurufen und seinen Freitod anzukündigen, indem er zum Beispiel sagte: »Du wolltest doch schon immer diese Bronzekopie vom Wagenlenker haben. Ich schenk sie dir.«
Die ersten beiden Male war Giovanni noch direkt nach dem Auflegen des Hörers ins Auto gesprungen und nach Hannover gefahren, wo Ilse in einem Musikclub Bier zapfte, um dort, übernächtigt und voller zurechtgelegter Ermutigungen, einen zwar verschlafenen, aber durchaus nicht todgeweihten Ilse vorzufinden. Im Gegenteil. Ilse schien nach solchen Drohungen geradezu aufzuleben und steckte voller Pläne für die Zukunft.
Aber mittlerweile hatte Giovanni gelernt zu sagen: »Ruf an, wenn du nüchtern bist. Ich rede nicht mit Besoffenen.« Das funktionierte. Zwar schwieg Ilse am anderen Ende der Leitung um deutlich zu machen, daß Giovanni gerade die letzte Gelegenheit, ihn lebendig zu sprechen, verspielte, und natürlich rief er dann niemals an, wenn er wieder nüchtern war, aber er brachte sich auch nicht um.
Nach einem Eklat im Musikclub hatte er ein Rockfestival organisiert, dessen Folgeschäden er nur durch hektische Umzüge ohne polizeiliche Anmeldung entging. Ilse, der Träumer, der immer noch an das Gute im Menschen glaubte. Vor allem in sich selbst.
Er war nach Göttingen gezogen, um mitzuarbeiten in einem alternativen Fahrradladen, der sich Speichenkollektiv nannte. Ob es seinen gelegentlichen Zähmungen von Wildrädern oder seinem zu guten Verhältnis zur Frau des Oberalternativen zuzuschreiben war, daß er schon nach zwei Monaten ohne jede Habe außer einem zweitausend Mark teuren Tourenrad in Marburg auftauchte, war nicht herauszukriegen. Fahrräder seien jedenfalls das letzte, sagte er, als er das Tourenrad für den Gegenwert dreier Monatsmieten in einer Wohngemeinschaft mit drei Medizinstudentinnen verkaufte.
Es dauerte nicht lange, bis diese drei es nicht mehr hinnehmen wollten, daß das Biotop, das er ihnen im Garten anzulegen versprochen hatte, über eine müllhaldenähnliche Vorstufe nicht hinauskam. Im November präsentierten sie ihm die Rechnung einer Containerfirma, die alles abgeholt hatte, was im April von ihm mühsam herbeigeschafft worden war. Er seinerseits präsentierte ihnen eine Rechnung über sämtliche wertvollen Baumaterialien, die sie der städtischen Abraumkippe überantwortet hatten, verschwand aber, noch bevor der Anwalt sich einarbeiten konnte, ohne Nachsendeadresse. Dafür mit einem kostbaren Mikroskop, zwei Dali-Radierungen und einer gestickten Decke aus dem achtzehnten Jahrhundert.
In der Hoffnung, seine dortigen Schulden und Händel seien verjährt, ging er wieder nach Berlin. Leider war auch die Heterosexualität der Ex-Freundin, zu der er hatte ziehen wollen, verjährt, und eine hennarote Schwäbin schubste ihn hinaus, als er sich enttäuscht im Ton vergriff.
Nach einigen Tagen lernte er eine Bildhauerin kennen und erwärmte sie für ein gemeinsames Aktionskunstkonzept. Er zog bei ihr ein, und nachdem sie drei Wochen lang Pläne ausgearbeitet hatten, gingen sie Nacht für Nacht los, den Kofferraum voller Kübel frisch angerührten Betons, den sie großzügig um die Räder geparkter Luxuslimousinen verteilten.
Das Presseecho war umwerfend. Kein Blatt allerdings sprach von Kunst. Schon in der vierten Nacht entkamen sie nur noch mit knapper Not einem der zahlreich patrouillierenden Streifenwagen und warfen die Betoneimer in eine Baustelle. Da ein Millionenschaden aufgelaufen war, verzichteten sie auf die Bekanntgabe ihrer Urheberschaft. Dabei war die Idee, den ganzen Polizeieinsatz, die Bautrupps, die Versicherungssummen und erbosten Autobesitzer zu einer einzigen großen Performance zu erklären, gar nicht so schlecht gewesen.
Das nächste Aktionskonzept brachte ihnen zwar weniger Ruhm ein, aber den konnten sie wenigstens persönlich auskosten. In der Wilmersdorfer Straße legten sie auf einer Fläche von fünfzig mal achtzehn Metern Brotscheiben auf die Straße. Dicht an dicht. Neunmal mußte die Bildhauerin fahren, um all das Brot,
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