Das Herz kennt die Wahrheit
Reisenden sich langsam entfernten, und gingen auf die Hafenschenke zu. Sie hatten kaum die Tür erreicht, als ein gellender Schrei an ihre Ohren drang. "Die Sterlyngs!" rief Darcy und rannte augenblicklich in die Richtung, die der Earl und seine Familie eingeschlagen hatten.
Als sie um die Straßenecke bog, erfasste sie die Situation mit einem Blick. Vor einer dunklen Gasse hielt ein übel aussehender Geselle den Earl mit einer Pistole in Schach, während ein anderer dabei war, den Damen den Schmuck abzunehmen. Er war alles andere als zimperlich und packte die kreischenden Frauen hart an. Die beiden Diebe beeilten sich, denn inzwischen schauten Leute aus den Fenstern und riefen laut um Hilfe.
Darcy musste schnell handeln. Blitzartig griff sie an ihren Gürtel und zückte ihr Messer. In diesem Augenblick sah der Schurke mit der Pistole sie auf sich zulaufen und richtete den Lauf der Waffe auf sie. Doch Darcy schleuderte das Messer so geschickt, dass der Unhold nicht mit der Klinge, sondern mit dem schweren Knauf an der Stirn getroffen wurde. Kraftlos sackte er in sich zusammen, während sein Kamerad auf der Stelle mit leeren Händen das Weite suchte.
Inzwischen waren weitere Leute herbeigeeilt und nahmen den Dieb in Gewahrsam, der den Earl bedroht hatte. Zwei Schankmägde kümmerten sich um die feinen Damen, die sich mit geröteten Wangen über ein Riechfläschchen beugten, während Lady Sterlyng wie ein Sturmvogel mit dem Fächer wedelte.
Der Earl machte einen Schritt auf Darcy zu, die sich bückte, um ihr Messer vom Boden aufzuheben. "Ihr …", er räusperte sich und sagte mit seiner auffallend hohen Stimme, "… Ihr seid eine bemerkenswerte Frau, Captain Lambert. Ich … wir sind Euch zu großem Dank verpflichtet. Wie Ihr diesen Schurken unschädlich gemacht habt … ganz und gar unglaublich."
Darcy steckte das Messer in den Gürtel und lächelte den Earl an. "Zusammen mit meinen Schwestern würde ich es mit dreimal so vielen Schurken aufnehmen, Mylord. Sie verstehen sich ebenso gut auf das Kämpfen wie ich. Ich wünsche Euch noch einen schönen Aufenthalt in Wales und eine angenehme Reise. Begebt Euch nun lieber zum Hafenmeister, Mylord. Die Leute hier bekommen solch edel gekleidete Herrschaften wie Euch selten zu Gesicht. Das muss sie auf dumme Gedanken bringen."
Mit diesen Worten ging sie zurück zur Hafenschenke und traf auf Newton, der ihren beachtlichen Messerwurf mit angesehen hatte. "Du bist wahrlich eine Lambert, mein Mädchen!" meinte er lachend und nahm sie in den Arm.
In der Schankstube roch es stark nach Holzfeuer, gebackenem Brot und Fleisch, das in Fett gebraten wurde. Als sie den Raum durchschritten, stieg ihnen zudem der Geruch von menschlichen Ausdünstungen in die Nase. Darcy rümpfte die Nase, denn sie bevorzugte die frische Abendluft an Deck, die von Tang und Salzwasser erfüllt war. Dennoch, es bestand die Aussicht auf ein Federbett. Und auf ein gemütliches Feuer. Wie lange hatte sie schon nicht mehr am Feuer gesessen!
Während sie hinter Newton herging, bemerkte sie, dass die derben Stimmen ein wenig leiser wurden, sobald sie an den Tischen der Seeleute vorbeiging. Sie sah, wie die Männer aufschauten und leise miteinander flüsterten.
"Das ist sie also? Euer Captain?"
"Ja."
"Sie ist zu hübsch für die Seefahrt. Aber ich hätte nichts dagegen, sie in meinem Bett zu haben."
"Sie würde dir die Kehle durchschneiden. Du hast doch gehört, wie sie gerade den Kerl auf der Straße erledigt hat. Sie mag sehr hübsch sein, aber sie schläft allein. Sie ist unerreichbar. Verlässt sich nur auf sich. Aber im Kampf wird sie zu einem gefürchteten Gegner. Vielleicht ist sie der furchtloseste Kämpfer, den ich je gesehen habe."
"Furchtlos? Oder töricht? Ich habe gehört, das Mädchen sehnt sich nach dem Tod." Ein alter Seemann zog höhnisch die Lippe hoch. "Unter solch einem Kapitän würde ich nicht segeln."
"Und wieso nicht?"
"Weil sie ihre Mannschaft mit in den Tod ziehen wird."
Bei diesen Worten verstummten einige der Männer am Tisch und sannen über den eben geäußerten Verdacht nach. Da sie bei Captain Lambert angeheuert hatten, waren sie bereits in mehr Kämpfe verwickelt worden, als die meisten Seeleute in einem Jahr erleben würden.
Sollte es tatsächlich wahr sein, dass Darcy Lambert den Tod suchte? War das der Grund dafür, warum sie so kampfversessen war?
"Man erzählt sich, dass sie ihren Geliebten an die See verloren hat. Vielleicht hofft sie im Stillen, sich ihm
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