Das Herz kennt die Wahrheit
Arbeit erledigt hatte, schlug mich der alte Mann."
Darcy hielt ihren Zorn zurück und wagte nicht, Gryf anzuschauen. "Hat er dich geschlagen, weil er deine Arbeitsweise nicht mochte?"
"Ich glaube nicht. Er schlug mich ohne Grund, und … es schien ihm Spaß zu machen. Wenn er den Stock schwang, lachte er immer. Daher bin ich eines Abends, nachdem er eingeschlafen war, weggelaufen und zum Haus meines Onkels zurückgekehrt. Er war fort, und ich bat meine Tante, mich zu verstecken. Doch sie weigerte sich."
"Sie weigerte sich?" Darcy konnte ihre Verblüffung kaum verbergen. "Welche Frau weigert sich, ihren Verwandten zu helfen?"
"Sie sagte mir, dass sie gar nicht die Schwester meiner Mutter sei. Angeblich sei es mein Onkel gewesen, der ihr befohlen hatte, sich als meine Tante auszugeben, obwohl sie nicht wusste, warum. Und daher rannte ich weg und versteckte mich in Schuppen und Scheunen bei den Tieren. Doch als mein Onkel von der See zurückkehrte, begann er nach mir zu suchen. Und als er mich in der Wiese außerhalb von Timmeron aufspürte, schlug er mich. Er …", der Junge warf einen flüchtigen Blick auf Gryf, "… sagte, ich hätte ihm Schande bereitet, weil ich fortgelaufen bin, und dann schlug er mich, dass ich dachte, ich müsste sterben. Ich glaube, er hat mich für tot gehalten, denn sonst hätte er weiter auf mich eingedroschen. Als ich irgendwann am nächsten Morgen aufwachte, konnte ich nicht mehr stehen, und daher kroch ich fort. Ich muss bis zu einem Weg gekommen sein, denn dort hat Gryf mich gefunden."
Jetzt sah Darcy Gryf an, dessen Augenausdruck hart und gefühllos geworden war. Sie wusste, dass er genauso mit dem Burschen litt wie sie.
"Ich … hatte zuerst Angst vor Gryf, wegen der Narben und allem, und versuchte, mich gegen ihn zu wehren." Der Junge mied den Blick seines Freundes, während er sprach. "Als ich zum ersten Mal sein Gesicht sah, dachte ich, er sei ein Ungeheuer, und wollte schon wegrennen. Wäre ich nicht so schwach gewesen, dann wäre mir meine Flucht gelungen. Aber da ich weder rennen noch gehen konnte, habe ich nicht verhindern können, dass Gryf mich ins Dorf trug. Dort angekommen, bat er um eine Kammer in der Schenke. Der Wirt wollte aber keinen von uns hereinlassen." Er lachte kurz auf. "Ich nehme es ihm nicht übel. So, wie wir beide aussahen, wären ihm wahrscheinlich alle Gäste fortgelaufen. Ich mit meinem blutigen Gesicht und Gryf mit seinen Narben. Doch gegen Bezahlung überließ der Wirt uns einen Schuppen. Gryf machte ein Lager aus Stroh und versorgte meine Wunden. Dann brachte er mir zu essen und kümmerte sich um mich, bis ich wieder kräftig genug war, mein Lager zu verlassen. Seitdem sind wir zusammen."
Darcy musste mehrmals schlucken, denn ihr drohte die Stimme zu versagen. Schließlich meinte sie: "Ich kann solche Grausamkeiten nicht begreifen, Whit. Und ich denke, ich werde es auch nie begreifen. Aber das eine weiß ich. Das Verlangen nach Rache kann selbst den besten Mann zerstören, auch wenn es ein natürliches Gefühl ist. Das musst du verstehen, Junge, was auch immer du für deinen Onkel empfinden magst. Die Mannschaft der 'Undaunted' ist verpflichtet, diejenigen zu bekämpfen, die wehrlose Schiffe angreifen. Wenn das Schiff deines Onkels noch einmal unsere Route kreuzt, werden wir ihn bekämpfen. Und wie zuvor erwarte ich von dir, dass du dich an meine Anordnungen hältst und unter Deck Schutz suchst. Obwohl du allen Grund hast, Vergeltung an dem Mann zu üben, der dich halb tot geschlagen hat, wirst du auf diesem Schiff in meiner Kajüte bleiben."
"Aber ich …"
"Kein Wort mehr, Whit. Das ist alles, was ein Seemann an Bord der 'Undaunted' wissen muss. Wenn der Captain einen Befehl gibt, ist das zum Besten der ganzen Mannschaft. Der Rachedurst eines Einzelnen hat niemals Vorrang vor dem Wohle der Besatzung. Verstehst du das?"
Der Junge schluckte, dann nickte er.
"Ich will den Namen deines Onkels wissen und wie sein Schiff heißt."
"Er heißt York. Wylie York. Und sein Schiff ist die 'Sinner'."
Darcy machte sich keine Sorgen, dass ihr dieser Name entfallen könnte. Er hatte sich gleichsam in ihr Gedächtnis eingebrannt. Genau wie das Gesicht des Mannes, der mit eisiger Stimme befohlen hatte, ein Kind zu töten. "Du kannst jetzt wieder an Deck gehen und Newt und den anderen helfen."
"Aye, Captain."
Sie wartete, bis die Kajütentür hinter Whit ins Schloss gefallen war. Als sie aufschaute, sah sie, dass Gryf sie wütend anstarrte.
"Habt Ihr mir
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