Das Herz kennt die Wahrheit
etwas zu sagen?"
Er nickte. "Aye. Wenn es Gerechtigkeit auf dieser Welt gibt, wird Whits Onkel sein Ende in der Spitze eines Degens finden."
Sie überraschte ihn, als sie mit einer solchen Wucht auf die Tischplatte schlug, dass eine Karte vom Pult fiel. "Ja, dem stimme ich zu."
"Aber Ihr habt soeben gesagt …"
"Ich sagte, Whit muss Befehlen gehorchen. Ich möchte nicht, dass einem so jungen Burschen wie ihm das Blut seines Onkels an den Händen klebt. Doch wenn dieser grausame Pirat mir je wieder unter die Augen kommt, wird er die Klinge meines Messers in seinem bösen, schwarzen Herzen spüren."
"Aha." Gryf spürte eine Woge der Erleichterung. "Unser hartherziger Captain ist demnach gar nicht so herzlos. Doch lasst Euch dies gesagt sein, Captain Lambert. Es ist Euch gelungen, den Jungen zum Narren zu halten. Und selbst mich, bis jetzt."
Zum ersten Mal gelang es Gryf, zu lachen. Es war ein ungewohnter Laut, der Darcy lächeln ließ. Doch ihr Lächeln schwand plötzlich, als er sich zum Gehen wandte und sie seinen blutgetränkten Ärmel sah.
"Ihr seid verwundet."
"Es ist nur ein Kratzer."
"Aye. Ein Kratzer, der auf meinen Boden tropft." Schon war sie auf den Beinen und deutete auf den Stuhl, den sie soeben verlassen hatte. "Zieht Euer Hemd aus, und setzt Euch hin. Ich hole ein wenig heißes Wasser aus der Kombüse."
"Nein. Ihr solltet besser nicht sehen …"
Sie war verschwunden, bevor er noch weiter widersprechen konnte. Minuten später kehrte sie mit einer Schüssel Wasser und einem sauberen Leinentuch zurück.
Er war ihrer Aufforderung gefolgt und hatte sein Hemd ausgezogen. Am liebsten wäre er allerdings zurück an Deck gegangen. Verflucht sollte er sein, wenn er es zuließe, dass sie seine Narben sah. Captain oder nicht, sie war immer noch eine Frau. Und keine Frau würde es ertragen, sich anzuschauen, was das Feuer seinem Körper angetan hatte.
Doch dann hatte er es sich anders überlegt. Er wollte es darauf ankommen lassen, dass sie seinen entstellten Leib sah und sich abkehrte. Dann könnte auch er sich von ihr lösen. Und dieser Kuss, den sie getauscht hatten, wäre nichts weiter als eine angenehme Erinnerung. Beide wären in der Lage, ihr gewohntes Leben wieder aufzunehmen.
Als Darcy hinter ihm stand, hielt sie einen Moment regungslos inne und schaute hilflos auf die runzeligen Narben, die sich kreuz und quer über Gryfs Rücken und Nacken zogen. Bei der Vorstellung, wie sehr er gelitten haben musste, schloss sie voller Mitgefühl die Augen.
Er warf einen Blick über die Schulter. "Ihr seid merkwürdig still. Ich hoffe, Ihr seid nicht eine dieser furchtsamen Frauen, denen bei einem unangenehmen Anblick gleich schlecht wird."
"N… nein." Wäre sie nicht so bewegt gewesen, hätte sie den herausfordernden Spott in seinem Tonfall wahrgenommen. Sie stellte indes die Schüssel ab, wrang das feuchte Tuch aus und berührte die Wunde.
Gryf biss die Zähne zusammen. Er musste seine ganze Willenskraft aufbringen, um dies durchzustehen, ohne vor Schmerz zusammenzufahren. Eigentlich hatte er erwartet, dass sie nach einem kurzen Blick auf seinen Rücken fortlaufen würde. Doch jetzt, da sie blieb, war auch er gezwungen, zu bleiben.
Aber ihre Finger beim Auswaschen der Wunde auf seinem Leib zu spüren löste ein anhaltendes Zittern in ihm aus, das ihm zum Verhängnis zu werden drohte. Wie er sich nach ihren Händen auf seiner Haut gesehnt hatte! Er genoss es, wie sie sich bewegten und ihn in Erregung versetzten.
Er versuchte, tief durchzuatmen, um sich zusammenzureißen. Sie war keine Geliebte, die ihn sehnsuchtsvoll berührte, sondern der Kapitän eines Schiffes, der sich um die Bedürfnisse eines Matrosen kümmerte.
Langsam schloss Gryf die Augen und versuchte, an etwas anderes zu denken, das ihn von den aufwühlenden Berührungen ablenken sollte.
Darcy konnte sehen, dass die Stichverletzung nicht tief war. Doch der Arm blutete stark, so dass sie eine Aderpresse anlegen musste, bevor sie die Wunde mit dem Leinentuch abtupfte.
Während sie mit der Wundversorgung beschäftigt war, schaute sie immerzu auf das hässliche Narbenmuster, das Gryfs Rücken entstellte. Wie musste er gelitten haben. Und immer noch leiden.
Kein Wunder, dass er sich so langsam bewegt hatte, als sie ihn das erste Mal gesehen hatte. Bei solchen Verbrennungen musste jede Bewegung unerträgliche Schmerzen auslösen.
Sie sah, dass er den Kopf gesenkt hielt. Es war verständlich, warum er diesen Hut trug und sich die Krempe tief
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