Das Herz kennt die Wahrheit
willkommene Abwechslung wäre, sie es sich aber nicht leisten konnten, einen weiteren Seemann zu verlieren. Bereits jetzt arbeiteten sie in Unterzahl. Daher erschien es ihnen am besten, die Besatzung aufzufordern, am Abend auf die "Undaunted" zurückzukehren.
Darcy und Gryf schlossen sich den Männern an, wobei sie Acht gaben, einander nicht zu nahe zu kommen.
Whit hüpfte beinahe vor Begeisterung, ein neues Land betreten zu können. "Sprechen die Schotten unsere Sprache, Newt?"
Der alte Mann grinste. "Sozusagen."
"Was heißt das?" wollte der Bursche wissen.
Newton zwinkerte den Seeleuten zu, die das Land bereits kannten und sich schon über die Frage des Burschen lustig machten. "Ich denke, das wirst du selbst herausfinden müssen, Junge."
Whit konnte seinen Tatendrang kaum verbergen, als er fragte: "Wann können wir mit der Arbeit beginnen?"
Newton lachte auf. "Wenn der Captain und ich gewusst hätten, dass man dir bloß einen Landgang in Aussicht zu stellen braucht, um dich an die Arbeit zu kriegen, hätten wir häufiger einen Hafen angesteuert. Und jetzt kümmern wir uns um die Ausbesserungen, Leute. Je eher sie fertig sind, desto früher könnt ihr euch ins Vergnügen stürzen."
Die Männer begaben sich mit frischem Eifer an die Arbeit. Sie hätten es zwar nie zugegeben, doch sie waren genauso aufgeregt wie der junge Whit, einen Nachmittag in einem schottischen Dorf verbringen zu dürfen. Der Gedanke an heißes Essen im Wirtshaus und an willige Frauen ließ sie hoffen, dass die arbeitsreichen Stunden wie im Fluge vergehen würden.
Die Luft vibrierte gleichsam von Hammerschlägen und Sägegeräuschen, als die Männer die Lecks ausbesserten und die Bohlen und Bretter austauschten, die das Kanonenfeuer beschädigt hatte. Der Koch nutzte die Zeit, um seine Vorräte durchzugehen, während andere sich daranmachten, Risse in den Segeln und der Takelage auszubessern.
Gegen Mittag versammelte sich die Besatzung bei einer kalten Mahlzeit an Deck, bevor man das Beiboot zu Wasser ließ, um die ersten Seeleute an Land zu bringen.
Als das Boot ablegte, schaute Whit sich suchend nach Darcy um. Dann erblickte er sie hoch oben in den Wanten und rief ihr zu: "Kommt, Captain. Wir gehen ins Dorf."
Darcy lächelte ihn freundlich an, als sie die Wanten hinunterkletterte. "Geh nur, Whit. Ich werde an Bord bleiben, um einiges zu erledigen."
Der Junge wandte sich Gryf zu. "Sag ihr, dass sie mitkommen muss."
Beschwichtigend legte sein Freund ihm eine Hand auf die Schulter. "Sie ist eine erwachsene Frau, Junge. Sie weiß, was sie tun will."
Whit sah ihn aus großen Augen flehentlich an. "Aber wenn du sie bittest, wird sie mitkommen."
Gryf dachte einen Augenblick nach. Schließlich wäre dies die passende Gelegenheit für einen Waffenstillstand. Außerdem gefiel ihm die Aussicht viel besser, den Nachmittag gemeinsam mit Darcy und Whit verbringen zu können, denn sonst müsste er den Jungen allein unterhalten.
Er wartete an den Wanten, bis Darcy auf das Deck gesprungen war. "Whit wünscht sich nicht als Einziger, dass du mitkommst."
Für einen kurzen Moment schienen ihre Augen sich zu weiten, bevor sie ihre Überraschung hinter einem nachlässigen Achselzucken verbarg. "Mir liegt nicht viel daran, mit meiner Mannschaft Ale in einer Schenke zu trinken."
"Mir auch nicht. Und mit Whit an meiner Seite werde ich mir etwas Interessanteres einfallen lassen müssen als einen Besuch im Wirtshaus. Der Junge möchte etwas von dem Land sehen, das er noch nicht kennt." Dann senkte er die Stimme. "Komm, Darcy. Auch der Captain braucht einmal Abwechslung vom alltäglichen Trott."
Sie verzog den Mund zu einem zaghaften Lächeln. Seine eindringliche Stimme löste einen leichten Schauer in ihr aus.
"Nun gut." Als sie sah, dass Newton das Boot auf sie zusteuerte, rief sie: "Gebt mir einen Moment."
Rasch lief sie über den Niedergang hinunter in ihre Kajüte. Kurze Zeit später erschien sie wieder an Deck und trug ein einfaches Kleid aus gebleichter Wolle, das einen hohen Kragen und lange, zu den Handgelenken hin spitz zulaufende Ärmel hatte. Darüber trug sie ein Schultertuch in einer ähnlichen Farbe. Sie hatte sich das Haar gebürstet und mit Perlmuttkämmen aus dem Gesicht gestrichen.
Gryf konnte seinen Blick nicht von ihr lassen, als sie die Strickleiter hinabstieg und in dem Beiboot Platz nahm. Doch während er seine Gedanken für sich behielt, war Whit weniger zurückhaltend.
"Captain, Ihr seht wie … eine Dame aus."
"Danke,
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