Das Herz meines Feindes
den allgemeinen Flüchen, dem Grunzen und den anderen Schmerzensschreien.
Lilliane war zu verblüfft, um wirklich Angst zu empfin den. Es geschah alles fast zu schnell, um wirklich zu sein, und sie starrte die schreckliche Szene vor ihr eher mit Er staunen als mit irgend einer anderen Empfindung an. Ihre Augen konnten sich nicht von ihrem Gatten losreißen, als er mit den Attentätern kurzen Prozess machte. Wie eine Kampf maschine mähte er seine Gegner nieder, während sich seine Männer um ihn scharten.
Erst als drei der feindlichen Ritter, gefolgt von vier reiter losen Pferden, devongaloppierten, schöpfte Lilliane wieder Atem. Ihr pochte das Blut in den Ohren, und ihre Nägel hat ten sich in ihre Handflächen geschnitten, so fest hatte sie ihre Fäuste geballt.
Aber das war unwichtig, denn Corbett hatte überlebt!
»Corbett!« rief sie, ihre Stimme war nur ein trockenes, brüchiges Flüstern.
Doch er wandte sich um, um ihr einen Blick zuzuwerfen, als ob er es irgendwie gehört hätte. Sein grimmiger Gesichts ausdruck war beängstigend. Die Flamme des Krieges in seinen Augen war noch nicht erloschen, und sie schauderte bei den dunklen Empfindungen, die sie darin sah. Wenn sie sich jemals gefragt hatte, warum er der Lockvogel des Königs ge nannt wurde, dann kannte sie jetzt die Antwort. Er war ein grimmiger und tödlicher Krieger, ein Mann, den man niemals unterschätzen durfte.
Und doch war seine Loyalität etwas, das man in Ehren halten musste.
Sie wäre gern zu ihm geritten, aber auf eine schnelle Handbew e gung seinerseits hin fühlte sie, wie ihr Ross in eine andere Richtung gelenkt wurde. Dann ritt die Wache, die sie fest umschloss, wie ein einziger Mann auf die Abtei von Wo burn zu.
17
Corbett zog seinen schweren Reisemantel aus und warf ihn zu Boden.
Sir Dünn beobachtete das ruhelose Auf-und Abschreiten seines Herrn, aber er war weise genug, seine Zunge im Zaum zu halten. Statt dessen goss er zwei große Kelche Bier ein und reichte einen davon schweigend an Corbett weiter.
Corbett wischte sich die Stirn mit dem Handrücken ab, nahm den Kelch und trank ihn in einem langen Zuge leer. Erst dann richtete er den bekümmerten Blick auf seinen Freund. »Die Ereignisse beginnen sich zu überschlagen.«
»Dann hast du den Beweis, den der König braucht.«
»Das werde ich bald. Ich habe alle Mitspieler dieser Schmierenk o mödie eingeladen, Weihnachten auf Orrick mit einander zu feiern. Wir werden sie ein für allemal aufscheu chen…«
»Es wäre erheblich leichter, wenn sie einen ›Unfall‹ hätten«, sagte Dünn mit einem Grunzen. »Es gäbe keine Verrä ter, über die man sich später noch Sorgen machen müsste.«
»Das wäre vielleicht König Henrys Art gewesen, dieses Problem zu lösen«, gab Corbett zurück. »Aber Edward sieht es lieber, wenn sie sich vor dem Gesetz des Königreiches zu verantworten haben. Seine Rache wird nichtsdestotrotz hart sein, aber sie wird sich immer in den Grenzen des Gesetzes bewegen.«
»Dann scheint es also, dass wir gezwungen sind, diese festliche Versammlung zu erdulden und die Ratte aufzustöbern.«
»Sie fangen an, sich Sorgen zu machen.« Corbett begann in der niedrigen Halle, in der die Ritter untergebracht waren, auf und ab zu schreiten. »Wir wurden wenige Stunden au ßerhalb Londons angegriffen.«
»Was? Bei allem, was heilig ist! Wer war es?«
Corbett zuckte die Achseln. »Eine Gruppe von gedunge nen Söl d nern. Sie wurden durch einen Mittelsmann ange heuert, das konnten wir jedenfalls den Worten eines der Rit ter kurz vor seinem Tode entnehmen. Wir konnten nicht her ausfinden, wer wirklich hinter dem Angriff steht.«
»Aber du hast einen Verdacht«, gab Dünn zurück.
Bei diesen Worten schwieg Corbett, und wieder einmal rieb er die Narbe an seiner Augenbraue. »Ja, ich habe einen Verdacht. Das Netz zieht sich langsam zusammen. Die glei chen, die Edwards Tod wü n schen, haben auch keine Ver wendung für mich. In London wird über den langen Aufent halt des Königs in der Normandie viel geredet. Aber wir haben die Nachricht, dass ihm Gift verabreicht wurde, streng unter Verschluss gehalten. Nur seine engsten Ratgeber wus sten überhaupt davon.«
»Doch er lebt?« fragte Dünn angstvoll.
»Eleonor ist bei ihm, und er wird täglich stärker. Aber ir gendwo gibt es ein Leck.« Corbett hielt inne und wandte Dünn seinen zynischen Blick zu. »Ich habe von meiner eige nen Frau von der Krankheit des Königs gehört.«
»Von deiner Frau!« Dunns
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