Das Hexen-Amulett (German Edition)
dankten dem Allmächtigen für seine Gunst und Vorsehung, die ihnen zu diesem großen Sieg verholfen hatten.
«Amen», sagte Treu-bis-in-den-Tod.
19
Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe.›» Lady Margaret hörte die Worte von Pastor Perilly und dachte, dass ihr Mann doch trotz aller Sorgen ein sehr beschauliches Leben geführt hatte.
«‹Er geht auf wie eine Blüte und fällt ab, flieht wie ein Schatten und bleibt nicht.›» Wie wahr – falls eine Blüte je von einer Musketenkugel ins Gesicht getroffen worden war.
Sie stand auf den großen Steinplatten im Mittelgang der Kapelle von Lazen. Durch die Fenster, deren prächtige Bleiverglasung zerschossen worden war, fiel graues Licht aus dunklen Regenwolken. Die in Stein gemeißelten Wappen von Lazen und der Familie Lazender waren zerkratzt, die Reliefs der Ahnen voller Einschussnarben, wenn sie auch mit Kalkleim ausgebessert worden waren. Sie sahen erbärmlich aus.
Lady Margaret blickte durch ihren Schleier auf das Loch unter den vier aufgedeckten Steinplatten. Die Kapellengruft war feucht. Sie sah den verrotteten Rand eines alten Sarges, an dessen Seite gerade der neue Sarg mit Sir Georges sterblichen Überresten hinabgelassen wurde. Eines Tages, so dachte sie, würde auch sie in diesem Loch liegen, die Augen für immer starr emporgerichtet zu den Besuchern der Kapelle. Doch dann erinnerte sie sich, dass die Welt Kopf stand und sie womöglich nie an der Seite ihres Gatten liegen würde. Denn noch während Pastor Simon Perilly die Totenfeier zelebrierte, tagte in der großen Halle der Ausschuss für Beschlagnahmung, der Sir Toby, dem rechtmäßigen Erben, den Besitz an Lazen streitig machte.
Es war hinterhältig und gemein, doch sie konnte nichts dagegen tun. Überschwänglich in seinem Sieg hatte der Ausschuss die Stunde der Beisetzung für das Zusammentreffen bestimmt, um sicherzustellen, dass die Familie nicht vertreten sein würde. John, der Earl of Fleet, beurlaubt von der Armee des Grafen von Essex, die gen Westen marschierte, war zwar dennoch anwesend, würde aber, wie Lady Margaret vermutete, kaum etwas ausrichten können. Auf ihrer rechten Seite stand Anne, die Gräfin von Fleet, zu ihrer Linken Caroline. Toby lag darnieder, und es stand immer noch zu befürchten, dass er als Nächster zu begraben sein würde.
Perillys Stimme schwoll an. «‹Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft der Heiligen sei mit euch ewiglich. Amen.›»
Lady Margaret starrte noch eine Weile auf den Sarg aus hellem, gehobeltem Holz, wandte sich dann ab und sagte: «Kommt.»
Draußen auf dem verkohlten Rasenstück, wo die siegreichen Puritaner die Altarschranken verbrannt hatten, dankte sie den Dorfbewohnern, Pächtern und Dienern für ihre Anteilnahme. Hoffnung machen konnte sie ihnen nicht. Mit Blick auf Mr Perilly sagte sie: «Danke, Simon. Ihr habt gut gesprochen.»
Pastor Perillys Zukunft war ebenso ungewiss wie die von Lady Margaret. Er faltete sein Skapulier über dem Gebetbuch zusammen. «Er wird wiederauferstehen, Lady Margaret.»
Sie nickte. «Ich vertraue darauf, dass Gott am Tag der Wiederauferstehung Rache walten lässt, Mr Perilly.» Sie wandte sich ab und führte ihre Töchter durch die verwüsteten Gärten auf das Neue Haus zu.
Oben, in Tobys Schlafzimmer, traf sie auf den Arzt, der ihren Sohn zur Ader ließ. «Schon wieder?»
«Es ist das beste Mittel, Lady Margaret.» Dr. Sillery hatte aus Tobys Arm eine Tasse Blut abgezapft und legte nun mehrere Decken über den Patienten. «Und schwitzen muss er.»
Lady Margaret verzichtete darauf zu entgegnen, dass bislang nichts geholfen habe. Sie setzte sich zu ihrem Sohn und legte ihm eine Hand auf die Stirn. Sie fühlte sich heiß an. Er hatte Fieber, und sie wusste, dass ein solches Fieber meist zum Tod führte. Sie blickte zu Sillery auf. «Und die Verletzungen?»
«Die Hand heilt gut, erstaunlich gut.» Er zuckte mit den Achseln. «Aber die Schulter …»
Lady Margaret betrachtete Tobys schweißnasses und unrasiertes Gesicht. Ein Musketengeschoss hatte seine linke Schulter durchbohrt, das Gelenk zerschlagen und in der Achselhöhle, wo es ausgetreten war, eine hässliche Wunde zurückgelassen. Nachdem er von diesem Schuss zu Fall gebracht worden war, war ein Schwert auf ihn herabgefahren und hatte zwei Finger seiner linken Hand abgetrennt. Die Fingerstümpfe waren schon verheilt, die Haut, die sich darüber gebildet hatte, rosig
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