Das Hexen-Amulett (German Edition)
königliche Feldbinde gewickelt. Er hielt einen großen, mit Federn geschmückten Hut in der Hand, und an der Seite hing, wenn auch nur zum Schmuck, sein Schwert.
Lady Margaret kam die Treppe herunter. «Ah, Sir Andrew!»
«Sir Andrew?», fragte Campion.
Washington nickte. «Der König hat mich für den Verlust meiner Augen belohnt. Eine Pension wäre wohl sinnvoller gewesen, aber Ehrentitel sind heutzutage erschwinglicher.» Er wandte sich Lady Margaret zu. «Die Kutsche wartet auf Euch, Mylady, und wird dann für uns wieder zurückkommen.»
«Aber nicht zu bald, Andrew. Für Toby ist bislang alles viel zu glatt gegangen. Es wird Zeit, dass er ein wenig warten muss und sich Sorgen macht.» Lady Margaret schien zu vergessen, dass sich Toby sehr wohl große Sorgen gemacht und lange auf Campion gewartet hatte, als sie ihren Feinden ausgeliefert gewesen war. Der Vorwurf passte auch nicht zu ihrer Stimme, die, wie Campion bemerkte, von großer Zuneigung zu ihrem Sohn zeugte. Lady Margaret sah ihr Lächeln und sagte: «Wollen wir hoffen, dass der Bräutigam nüchtern ist, was ich allerdings stark bezweifle. Wahrscheinlich liegt er volltrunken in irgendeinem Weinkeller.»
Auch Sir Andrew Washington hatte Bedenken. «Hoffentlich regnet es nicht.»
«Es wird nicht regnen», sagte Lady Margaret bestimmt. «Komm, Enid.»
Als die beiden abgefahren waren, sagte Campion: «Dass Ihr mich begleitet, ist sehr freundlich von Euch.»
«Ach was. Es macht mich stolz, sehr stolz. Ihr aber hättet Euch sicher einen Brautführer gewünscht, der Euch näher steht.»
«Mein lieber Sir Andrew, ich wüsste nicht, wen ich in diesem Amt lieber sähe.»
Ihre Antwort schien ihm zu gefallen. «Allerdings seid Ihr es, die mich führen muss.»
«Wie kommt Ihr zurecht?»
«Oh, irgendwie geht’s.» Er lächelte. «Ich bewohne ein kleines Haus in Wiltshire, und meine Diener sind sehr gütig. Sie versorgen mich bestens und lesen mir vor. Ansonsten mache ich mich im Garten nützlich, dazu reicht der Tastsinn aus. Und im Unterschied zu früher finde ich inzwischen Gefallen daran, mich mit anderen zu unterhalten. Ich höre gern zu, versteht Ihr?» Die samtene Maske war auf sie gerichtet. «Lady Margaret hat große Angst um Euch gehabt. Während Eurer Kerkerhaft war ich in Oxford und konnte nicht viel für Euch tun.»
«Ich hab’s überlebt, Sir Andrew.»
«Dafür haben wir gebetet. Und wie! Meine Knie sind immer noch wund. Nun, seid Ihr bereit für die Parade? Gibt es für Euch noch etwas zu tun, bevor wir gehen?»
Es war nicht weit bis zur Kirche St. Mary’s. Die Bewunderung der Menge, die sich in der Straße vor dem Haus versammelt hatte, brachte Campion in Verlegenheit, als Oberst Washington ihr in die Kutsche half. Sie dachte an die weite Wegstrecke, die sie bis hierher zurückgelegt und die mit dem Siegel des Apostels Matthäus ihren Anfang genommen hatte. Sie hatte die schmucklosen schwarzen Kleider der Puritaner und ihre strikten Regeln abgelegt und war nun im Begriff, in Seide und Satin zu heiraten. Eine zufällige Begegnung am Bach von Werlatton hatte sie vor den Traualtar geführt, und sie dachte an das, was in all den Monaten durch Krieg und Feuer, Haft und Folter hinweg unverändert geblieben war: die Liebe, die sie mit Toby verband.
Die Hochzeit war ein großes Ereignis in Oxford. Nach den Feldzügen im Sommer blickten die Royalisten auf eine Folge bitterer Niederlagen zurück. Der Feind hatte seine Überlegenheit weiter ausgebaut, und es stand schlecht um die Sache des Königs. So war nun Campion zu einem Symbol trotzigen Widerstandes geworden. Man hatte ihr als Royalistin und Hexe den Prozess gemacht. Doch sie war ihren Peinigern entflohen und wurde nun in der Hauptstadt des Königs als Heldin gefeiert. Vor der Kirche erwartete sie eine noch viel größere Menschenmenge, und als James Wright den Verschlag öffnete, drohte sie der Mut zu verlassen. James lächelte ihr aufmunternd zu. Tobys Knappe war nach Oxford gekommen, um Campion zu beschützen, wenn sie ohne Toby das Haus verließ.
Oberst Sir Andrew Washington ergriff ihren Ellbogen. «Nur Mut, meine Liebe.»
Sie hatte nicht damit gerechnet, dass die Kirche so voll sein würde. Als sie den blinden Sir Andrew über die Stufen des Portals führte, erklangen triumphierende Orgelklänge und Chorgesang. Campion war überwältigt von der Musik und dem Anblick, der sich ihr bot. Die versammelten Gäste hatten ihren feinsten Staat angelegt. Spitze und Silber, Samt, Seide und
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