Das Hexen-Amulett (German Edition)
sich auf den feuchten Pflastersteinen, Mauern, Torbögen und Büschen das Licht der Fackeln spiegelte, die Toby und Campion den Weg nach Hause leuchteten. Tobys engste Freunde bildeten ihre Eskorte, junge Burschen und Mädchen, die angeheitert und voller Erwartung waren, denn es sollte nun einem alten Brauch entsprochen werden, dem Campion mit gemischten Gefühlen entgegensah. Vor der Pforte des Hauses von Lord Tallis angekommen, lächelte sie Toby zu und fragte: «Müssen wir?»
«Natürlich, daran führt kein Weg vorbei.» Er lachte.
Dass Campions Hochzeitskleid nur von Schleifen zusammengehalten wurde, hatte seinen Grund in dem, was nun bevorstand. Die Mädchen trieben die Braut durchs Treppenhaus und griffen mit den Händen nach ihr, um an den Schleifen zu ziehen. Die Männer unten in der Halle sahen zu und klatschten Beifall, sooft eines der hellblauen Bänder übers Geländer geworfen wurde. Schon war der rechte Ärmel abgestreift, bald folgte der linke. Die Männer drängten näher und verlangten, mehr nackte Haut zu sehen. Der Überrock fiel zu Boden, als Campion über die Schwelle zum Schlafzimmer geschubst wurde.
Die johlenden Männer machten sich derweil an Tobys Hose zu schaffen und scheuchten ihn über die Stufen nach oben. Campion hatte sich aufs Bett werfen lassen, wo ihr von Caroline nun auch der Unterrock ausgezogen wurde. Lachend verkroch sie sich unter den schweren Bettdecken, um ihre Blöße zu verbergen.
Das Gelächter der Mädchen ging in ein schrilles Kreischen über, als Toby ins Zimmer gestoßen wurde. Er war nackt bis auf den Handschuh, der seine verstümmelte Hand verhüllte. Grinsend verbeugte er sich vor den jungen Damen, als ihn die Freunde seiner Braut zuführten. Caroline half Campion, an den Decken festzuhalten, die von den Männern zurückgeschlagen wurden, um dem Bräutigam ins Bett zu helfen. Sir Toby, der nun neben seiner Braut lag, rief ihnen zu: «Ihr habt eure Pflicht erfüllt und könnt jetzt gehen. Verschwindet!»
Die meisten schienen bleiben zu wollen. Sie machten es sich mit ihren Weinflaschen bequem und beobachteten lachend das nackte Paar unter den Decken. Mit puritanischen Hochzeitsriten hatte all das ganz und gar nichts zu tun, aber es entsprach einem traditionellen englischen Brauch, und Campion errötete, als die Gäste sagten, dass sie sich erst dann verziehen würden, wenn sie Toby küsste. Sie küsste ihn.
«Mehr, mehr!»
Nach einer Weile zogen die Schaulustigen ab. Toby musste aus dem Bett steigen und, nackt wie er war, denen, die immer noch nicht gehen wollten, Beine machen. Dann verriegelte er die Tür, drehte sich grinsend zu ihr um und fragte: «So schlimm war’s doch nicht, oder?»
Campion lächelte. «Nein.»
«Sie werden alle unten auf uns warten. Pass auf.» Er stampfte mit beiden Beinen laut und rhythmisch auf die Dielenbretter, worauf frenetischer Jubel durchs Haus hallte. Er grinste. «Was hast du an?»
«Nichts.»
«Zeig’s mir.»
«Toby!»
Es setzte sich zu ihr ans Bett. «Hallo, Lady Lazender.»
«Hallo, Sir Toby.»
«Es wird Zeit, dass wir auch vor Gott ein Paar werden.»
«Ich dachte, das seien wir schon.»
«Das war nur eine Vorübung.» Er schlug die Decke zur Seite, küsste sie, und dann endlich waren die beiden miteinander vermählt.
Ende Oktober ließ es sich in Oxford kaum mehr aushalten. König Charles war mit seinen Streitkräften zurückgekehrt, und die Stadt platzte aus allen Nähten. Lady Margaret mokierte sich über die vollgestopften, stinkenden Straßen. Es wurde beschlossen, ins nahegelegene Woodstock auszuweichen, das eine eigene kleine Garnison royalistischer Truppen unterhielt. Toby war sich über die Gefahr, in der Campion schwebte, jederzeit bewusst. Um den Bund ein für alle Mal an sich zu reißen, sann Sir Grenville auf ihren Tod, und Toby glaubte, dass sie in der kleinen, gutbewachten Ortschaft sicherer sein würde als in den anonymen Massen, die die Straßen der Stadt bevölkerten.
Vor der Abreise aber galt es noch eine Pflicht zu erfüllen. Sie waren zu einer Audienz bei Hofe geladen und machten sich an einem windigen, verregneten Tag auf den Weg zur Christ Church. Vor der Kirche hatte sich eine empörte Menschenmenge versammelt, die von kriegsmüden Soldaten in Schach gehalten wurde. Nur mit Mühe gelang es Toby, seine Frau und seine Mutter zum Audienzsaal zu führen, vorbei an der langen Warteschlange derjenigen, die aufgerufen waren, den König zu begrüßen.
Campions Neugier war größer als ihre
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