Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Hexenbuch von Salem

Das Hexenbuch von Salem

Titel: Das Hexenbuch von Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
Vom Netzwerk:
sie, und
Miss Plummer blickte lächelnd auf. Unter dem Einfluss dieses Lächelns wurde die Last der Büchertasche gleich spürbar geringer, und Connie merkte, wie sich die Anspannung in ihren Schultern etwas löste.
    »Ja?«, fragte die Bibliothekarin. »Haben Sie es gefunden?«
    Connie seufzte. »Ich fürchte nein. Hat es denn irgendwann einen Punkt gegeben, wo Bestände der Bibliothek veräußert wurden? Ich weiß ganz sicher, dass das Buch durch eine Spende hierherkam. Und ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass es jemand gestohlen hat oder …«
    »Wir veräußern immer wieder Teile des Bestandes«, bestätigte die Bibliothekarin. »Im Allgemeinen sind das irgendwelche schlechten Romane und andere Bücher, die wir nach ein paar Jahren nicht mehr haben wollen. Im Magazin ist nur sehr begrenzt Platz, wie Sie sehen. Schauen wir also mal in den Akten nach.« Sie stand auf und wandte sich einer großen Registratur zu, die hinter ihrem Tisch stand. »Ich bin mir sicher, dass wir es finden werden«, versicherte sie Connie, während sie den Aktenschrank öffnete.
    Das hoffe ich, flüsterte sich Connie insgeheim zu und fragte sich, was sie wohl Chilton sagen sollte, wenn auch diese Spur im Sande verlief.
    »Da wären wir«, sagte die Bibliothekarin und blätterte durch einen vergilbten Ordner. »Unsere erste größere Veräußerung fand im Jahre I877 statt. Hier steht, dass Bücher, die kein einziges Mal verliehen worden waren, versteigert worden waren, und zwar durch Sackett …« – sie blickte auf und fügte hinzu: »Das ist in Boston das Gegenstück zu Christie’s oder Sotheby’s« – und fuhr dann fort: »… um Gelder zur Erhaltung der Sammlung und zum Bau der neuen Bibliothek zu erwirtschaften.« Sie klappte die Akte wieder zu und schaute Connie an. »Ich fürchte, eine Auflistung der Buchtitel, die
damals verkauft wurden, gibt es nicht, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es bei Sackett noch Aufzeichnungen darüber gibt. Sicher wissen Sie, wie genau es Institutionen in Boston mit der Dokumentation nehmen.«
    Connie dachte an ihre Erfahrungen im Nachlassgericht von Essex County zurück und gab eine Mischung aus leisem Stöhnen und Kichern von sich. »Danke für Ihre Hilfe«, sagte sie zu der Bibliothekarin, die den Ordner wieder in seine Hängevorrichtung in der Registratur verstaute.
    Während Connie sich zum Gehen wandte, setzte die junge Bibliothekarin ihr strahlendstes Lächeln auf und sagte noch einmal: »Ich bin mir sicher, dass Sie das Buch finden werden.« Und aus irgendeinem Grund glaubte Connie ihr.
     
    Während sie in Richtung des Stadtparks von Salem ging und die Tasche schwer gegen ihre Hüfte schlug, kehrte Connie in Gedanken noch einmal zu ihrem Gespräch mit Janine zurück. Während des Hauptstudiums hatte Connie Manning Chiltons bahnbrechendes Buch über die Professionalisierung der Medizin im Amerika des achtzehnten Jahrhundert gelesen und schnell gewusst, dass sie ihn unbedingt als Doktorvater haben wollte. Professor Chilton begegnete der Wissenschaft, wie so viele seiner intellektuellen Historikerkollegen, indem er sie nicht als nüchterne Abfolge von fest verbrieften Ereignissen sah, ganz gleich, in welcher Epoche sie stattfanden, sondern die Welt stets aus dem Blickwinkel ihres historischen Kontextes betrachtete. Trotz der gewaltigen Furiosität, mit der er sich der Materie annahm, übersah er doch nie die Individuen, die seine Schilderungen bevölkerten – Ärzte mit blutigen Skalpellen, überarbeitete Hebammen, Handelsvertreter für Laudanum, das per Post bestellt werden konnte. Sie alle erwachten zu Leben, wenn Chilton beredt von ihnen erzählte. Die Menschen in seinen
historischen Abhandlungen fühlten sich für Connie so wirklich an wie die Studenten, die ihr auf den Fluren von Saltonstall Court begegneten, oder wie die Bettler, die die Straßen rund um das College säumten. Chilton schien ein besonderes Talent dafür zu besitzen, von der Gegenwart in die Vergangenheit zu blicken, als verfügte er über einen dieser Eimer mit Glasboden, wie sie Fischer zu Wasser lassen, um erkennen zu können, was sich in den geheimen Tiefen unter ihrem Boot verborgen hält.
    Es lag auf der Hand, dass Chilton von der Alchemie, dieser Wissenschaft, die mithilfe ausgeklügelter Techniken nach dem Transzendentalen strebte, fasziniert war. Der Alchemist machte sich auf seiner Suche nach einer überirdischen Realität die Hilfsmittel der Chemie und der Wissenschaft zu eigen – ein spirituelles

Weitere Kostenlose Bücher