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Das Hexenbuch von Salem

Das Hexenbuch von Salem

Titel: Das Hexenbuch von Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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Gott, und das Wort war Gott.
Im Anfang war es bei Gott.
    Johannes, I:I-2
     
     
Ich aber sage dir: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen; und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen.
    Matthäus, I6:I8

FÜNFZEHN
    Marblehead, Massachusetts
Mitte Juli 1991
     
    D ie Karten, die in sorgfältigen Reihen auf dem Esstisch ausgebreitet lagen, sahen aus wie ein Patiencespiel. Connie drehte den Docht der Öllampe ein wenig nach oben, um den orangeroten Schein der Flamme heller zu machen, zog einen der Stühle mit dem geschnitztem Rücken unter dem Tisch hervor und nahm Platz, die Hände unter die Oberschenkel gelegt, die Schultern bis zu den Ohren hochgezogen. Bei den meisten der Karten handelte es sich um einfache Rezeptkarten: der gekochte Hummer, ein paar Kuchensorten, Kasserollen, das Huhn, allesamt mit Mehl und Fingerabdrücken beschmutzt wie jedes Küchenutensil, das in ständiger Benutzung ist.
    Doch dann waren da noch die anderen Karten.
    Connie schob den Stuhl zurück und stand wieder auf, ging quer durch das Esszimmer. So unruhig war sie schon seit Stunden; zuerst nahm sie am Tisch Platz, dann stand sie wieder auf, weil sie einfach nicht zur Ruhe kam. Sie war fahrig, spürte auf unangenehme Weise das Rauschen des Blutes in ihren Venen, das Prickeln ihrer Nerven und das Fließen des Adrenalins in ihrer Brust.
    Bei drei der Karten handelte es sich überhaupt nicht um Rezepte. Auf diese drei, die ganz oben auf dem Tisch lagen, warf sie einen vorsichtigen Blick.

    Natürlich war es das Gebot der Stunde, rational an die Sache heranzugehen. Nachdem sie wie von der Tarantel gestochen aus dem Park gelaufen und in ihrem Volvo nach Hause gerast war, hatte sie sich eingeredet, dass das mit dem Löwenzahn ein Zufall war; dass sie einfach angespannt und verängstigt war und zu viel Zeit allein verbrachte. Sie hatte die Karten auf dem Esstisch ausgebreitet, wo sie sie unbeschadet und wie in einem klinischen Versuch betrachten konnte.
    Connie wandte sich wieder dem Tisch zu und nahm die Karte zur Hand, die die Aufschrift Klappt besonders gut mit Tomaten trug. Stirnrunzelnd nahm sie das Kartonstück und ging neben der abgestorbenen Zimmerpflanze in der Diele in die Hocke. Obwohl ihr selber bewusst war, wie lächerlich sie sich verhielt, hob sie eine Hand, zeigte damit auf die tote Pflanze und las die Worte auf der Karte laut vor.
    Nichts geschah.
    »Siehst du?«, sagte sie zu Arlo, der auf der Treppe aufgetaucht war. »Ich bin einfach nur übermüdet, das ist alles.« Er musterte sie mit fragenden Augen. Sie schaute ihn einen Moment lang an, stand dann auf und kehrte ins Esszimmer zurück. Das Tier trottete hinter ihr her.
    Diesmal baute sich Connie vor einer der Blumenampeln auf, in der sich die Überreste einer Grünlilie befanden. Die Pflanze war bereits so lange tot, dass sie bei jeder Berührung drohte, zu Staub zu zerfallen. Ein paar zerfledderte Spinnweben hingen zwischen den Blättern, ihre Bewohner waren längst verschwunden. Die Erde im Topf war vollkommen ausgetrocknet, tiefe Löcher gähnten zwischen den dichten Knoten der toten Wurzeln und den Rändern des Pflanzkübels.
    »Okay«, sagte Connie, legte die Karte beiseite und wandte ihre volle Aufmerksamkeit der abgestorbenen Pflanze zu. Sie hob die Hände und formte mit den Fingern eine Art Korb,
mit dem sie die Pflanze einschloss. Dann zog sie die Brauen zusammen und konzentrierte sich auf den exakten Mittelpunkt des imaginären Korbes, der irgendwo mitten in der bröckeligen Erde der Pflanze lag.
    » Pater in caelo « , murmelte sie, und jetzt breitete sich ein heißes Prickeln auf ihren Handflächen aus. » Te oro et obsecro in benignitate tua« , fuhr sie fort, während ein zarter blauer Schimmer zwischen ihren ausgestreckten Fingern zu einer wirbelnden, durchsichtigen Kugel gerann. Ihre Nervenenden zuckten zusammen, so groß war der Schmerz. » Ut sinas hanc herbam, vel lignum, vel plantam, crescere et vigere catena temporis non vinctam « , endete sie. Die blaue Lichtkugel wurde beständiger, und die elektrischen Blitze, die von ihr ausgingen, fuhren in gezackten Linien von ihren Fingerspitzen und Handflächen mitten in den Keramiktopf der Pflanze hinein. In genau diesem Moment schossen Feuchtigkeit und Leben in die Blätter der ausgetrockneten Grünlilie, das frische, wächserne Grün des Lebens kroch in jedes der schwarzen Blätter, die bebten und sich aufrichteten, kaum dass die frische grüne Farbe sie

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