Das Hexenbuch von Salem
tapste in den Garten hinaus.
»Sam«, sagte sie mit erstickter Stimme. Sie hatte ihn angerufen, erinnerte sie sich nun, sobald sie zurück im Haus gewesen war, und eine atemlose, nervöse Nachricht auf seinem Anrufbeantworter hinterlassen, in der sie ihm beschrieb, was im Stadtpark von Salem geschehen war. Sie hatte ihn gefragt, ob sie ihn später treffen könne. Bis zu seinem Eintreffen hatte sie das wieder vollkommen vergessen.
»Komm, setzen wir uns«, schlug Sam vor und führte sie ins Wohnzimmer. Er ließ sie in dem Lehnstuhl Platz nehmen, die Hände auf die Knie gelegt, während er sich selbst einen niedrigen Hocker mit bestickter Sitzfläche heranzog und sich zu ihren Füßen niederließ. Dann stützte er seine braungebrannten Arme auf die Knie und schaute erwartungsvoll zu ihr hoch.
»Also«, begann er. »Du hast vorgelesen, was auf einer Karteikarte stand, und eine Pusteblume wurde weggeweht?« Sie erkannte die Beunruhigung in seinen Augen, aber es war eine Beunruhigung, unter der sich echte Besorgnis verbarg. Tief in seinen Augen, hinter dem schwachen Schimmern seiner Netzhaut, sah sie, dass Sam ihr nicht glaubte. Und warum sollte er auch?
»Sie wurde nicht einfach weggeweht, Sam«, sagte sie ungeduldig, wobei sie nicht genau wusste, ob sie ihn nur davon überzeugen wollte, dass sie das gerade Geschehene wirklich erlebt hatte, oder ihm von der wahnwitzigen Geschichte ihrer Familie erzählen sollte, die sie erst jetzt langsam zu begreifen begann. » Ich habe diese Pusteblume wegwehen lassen. Einfach nur so, indem ich etwas Lateinisches von der Rezeptkarte meiner Großmutter abgelesen habe. Ich habe sie aus dem Nichts wachsen und erblühen lassen, und dann hab ich sie sterben lassen. Alles auf einmal!«
»Okay«, sagte er. »Aber du verstehst bestimmt auch, dass jemand annehmen könnte, dass du die Pusteblume einfach nur nicht gesehen hattest, bevor du zufällig ausgeatmet hast und sie damit hast wegwehen lassen. Du musst doch zugeben, dass das die logische Erklärung sein könnte, oder nicht?«, drängte er sie freundlich.
Sein Gesicht wirkte müde, fand Connie. Ihre innere Stimme sagte ihr, dass er gewiss dachte, sie habe den Verstand verloren, wenn sie weiter auf dem Thema beharrte. Jeder halbwegs vernünftige Mensch würde darauf so reagieren, dass er sich distanzierte. Er würde sich zurückziehen, sich Gründe ausdenken, die nicht direkt mit ihr zu tun hatten, und irgendwann in Bälde würde er aus ihrem Leben verschwinden. Sie schluckte, die Augen weit aufgerissen.
»Vermutlich ja«, sagte sie. Die Worte zogen sich wie Kaugummi. Dann tat sie so, als würde sie gerade einen Entschluss fassen. »Ja, ich bin mir sicher, du hast Recht. Das wäre eine logische Erklärung.« Sie wich seinem Blick aus, verschränkte stattdessen fest die Arme über der Brust und schaute zu einem Punkt in dem zerschlissenen Teppich.
Sam legte den Kopf in die Hände und massierte sich die Schläfen mit den Fingerspitzen, rieb die Haut an seiner Stirn und dem Kiefer. Connie kam der Gedanke, dass sie ihn nicht einmal gefragt hatte, wie es mit seiner Arbeit voranging. Er hatte den ganzen Tag mit dem Kopf nach unten in einer leerstehenden Kirche gehangen, dort oben an der Decke, wo sich die ganze Hitze staute, allein, um die Kuppel bis in die letzten Winkel mit Goldfarbe zu bestreichen.
»Wie läuft’s beim Vergolden?«, fragte sie ihn und streckte eine Hand aus, um ihm eine widerspenstige Locke aus dem Gesicht zu streichen. Auf seiner Stirn schimmerte der Schweiß, und als ihr Finger seine Haut berührte, spürte sie auf einmal, wie die gewaltige Masse seiner Erschöpfung von
seinem Schädel in ihre Hand und den Unterarm überging und beides mit fast physischem Gewicht nach unten zog.
»Es war okay, ganz okay. Heiß, aber okay.« Er stieß den Atem aus. Connie fuhr mit dem Daumen ganz sanft über die Haut zwischen seinen Brauen; mehr als Experiment, ohne es bewusst zu beschließen, versuchte sie, ihr neuronales Netzwerk wie eine Telegraphenleitung zu benutzen, um seinem Körper das Zeichen zu geben, er solle sich entspannen. Mit zunehmender Überraschung spürte sie, wie das Gewebe unter ihren Fingern tatsächlich an Spannung verlor und Sam mit einem hörbaren Seufzen ruhiger wurde. Connie nahm die Hand weg und schaute mit unverhohlener Verwunderung darauf hinab. Einen Moment lang schimmerte ein blassblauer Fingerabdruck auf seiner Stirn und verschwand dann wieder. Sie staunte, schaute zu Sam, der überhaupt nicht
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