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Das Hexenbuch von Salem

Das Hexenbuch von Salem

Titel: Das Hexenbuch von Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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wie die Inschrift an ihrer Tür. Eine lange Liste mit den Namen Gottes. Und Tetragrammaton - wo hatte sie das bloß vorher gesehen? Sie drückte mit den Handkanten auf ihre geschlossenen Augen und atmete langsam in die Dunkelheit hinter ihren Lidern
hinein. Dabei kramte sie in den verschiedenen Schubladen ihres Wissens, suchte auch in der Akte, auf der Verschiedenes stand. Aus irgendeinem Grund musste sie bei dem Wort an Sam denken.
    Dann öffneten sich ihre Augen weit, und sie erinnerte sich: Tetragrammaton hatte auf dem verhexten Grenzstein gestanden, den Sam ihr gezeigt hatte. Sie blätterte in ihren Notizen und fand die Definition des Wortes, die sie sich aus dem Buch über die materielle Kultur des Volkszaubers herausgeschrieben hatte. Es war ein Wort, das die vier hebräischen Buchstaben umschrieb, welche »Jahwe« bedeuten, also ein weiterer Name für Gott.
    Connie schaute auf ihre Uhr. Langsam wurde es spät. Diese Passage würde sie noch fertig lesen, und dann würde sie gehen.
     
    »Wenn das Wasser grüntlich gekocht ist, wird es den Verursacher des bösen Zaubers aufs Feuer ziehen«, hieß es in der Handschrift weiter. »Dann kann man mithilfe von Nadeln und allerhand Kunstfertigkeit bewirken, dass das Opfer von den Teuflischen Machenschaften befreit wird. Siehe hierzu auch die Rezepturen für tötliche Tränke, wenn weitere Mittel nötig sind.« Der Rest der Seite enthielt eine lange Liste mit lateinischen Namen für Pflanzen und Kräuter, die mit den Worten »Trank für sichere Aufhebung« überschrieben war.
    Connie lehnte sich in ihren Stuhl zurück und blieb ein paar Minuten lang still sitzen, tippte mit dem Füller gegen ihre Zähne. Dann nahm sie die kleine Flasche mit den verrosteten Nägeln, ließ sie in ihre Schultertasche gleiten und eilte aus dem Haus.

INTERLUDIUM
    STADT SALEM, MASSACHUSETTS
29. JUNI I692
     
    D ie Lautstärke im Bethaus hatte bereits ohrenbetäubende Ausmaße angenommen, als Mercy Dane eintraf. Sie blieb draußen vor dem Eingang des Gebäudes stehen und schlug mit den Stiefeln ein paar Mal gegen die Steinstufen, um die Erdbrocken abzustreifen, die auf ihrem langen Weg quer durch die Stadt daran haften geblieben waren. Mercy hatte zuhause zu lange gezaudert, das wusste sie; auf und ab war sie im Saal des Hauses gegangen, hatte sich wieder und wieder eingeredet, jetzt gleich, noch in dieser Minute, würde sie gehen. Warum sie dabei trotzdem gezögert hatte, wollte ihr nicht recht in den Kopf. Gewiss vermisste sie doch ihre Mutter und sehnte sich danach, sie zu sehen. Vielleicht hatte sie einfach nur Angst.
    Hätte sie die Hände an die Ohren pressen und die Welt draußen zum Verschwinden bringen können, hätte sie es getan. Dann wäre sie einfach müßig im Haus geblieben, hätte den Hund in die Arme genommen und ganz still und leise einen Pakt mit Gott geschlossen, der besagte, wenn sie sich nicht bewegte, nicht einmal einen Zoll weit, dann würde auch die Zeit einfach stillstehen, und so könnte alles wenigstens nicht schlimmer werden. An diese störrische Art des Trödelns erinnerte sie sich noch von ihrer Kindheit her, als würde sie wirklich glauben, dass das Anhörungsgericht nicht
tagen könne, wenn sie nicht anwesend war. Nach ein paar weiteren Runden war Mercy jedoch klar geworden, wie töricht ihre Einbildungen waren, und so war sie den ganzen Weg durch die feuchten Straßen von Salem bis zu den Treppen des Bethauses fast gerannt. Der Tag war grau und verhangen, und Mercy spürte, wie ihre Kleider an ihren Beinen klebten und eine unvorteilhafte Röte ihre Wangen überzog.
    Zu ihrem großen Kummer schien die Gerichtsverhandlung schon weit fortgeschritten zu sein, als sie durch die Tür schlüpfte. Ganz vorne im Saal, hinter einem langen Bibliothekstisch, saß eine Reihe von bedeutsam dreinblickenden Herren in kargen schwarzen Gehröcken und lockigem Haar, einer blickte säuerlicher drein als der andere. Der in der Mitte, ein teigiger Mann mit einem breiten Spitzenkragen, einer langen Nase und einem wabbeligen Doppelkinn, musste William Stoughton sein, der Vizegouverneur und vorsitzende Richter. Mercy hatte ihn nie zuvor gesehen, doch dünkte er sie ein sehr vornehmer Herr. Er und die anderen Richter schienen miteinander zu reden, aber sie befand sich zu weit hinten im Saal, um zu hören, was gesagt wurde. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und reckte den Hals, um zu schauen, ob irgendwo weiter vorne Platz war.
    Über die Köpfe und Schultern der anderen Bürger

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