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Das Hexenbuch von Salem

Das Hexenbuch von Salem

Titel: Das Hexenbuch von Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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zweifelnde Blicke zu, und hinter sich hörte Mercy ein bitteres Flüstern, das sagte: » Gotteslästerung!«
    Gouverneur Stoughton hob überrascht die Augenbrauen und sagte: »Wie das, Gevatterin Dane, denn Ihr glaubt doch gewiss an den Teufel? Und daran, dass er die Unschuldigen im Dorfe Salem mit einem gemeinen Zauber belegt hat, mithilfe seiner treuen Diener hier auf Erden?«
    Im Saal war es mucksmäuschenstill. Alles wartete. Sie sagte nichts. Gouverneur Stoughton fuhr fort: »Ihr würdet doch nicht etwa sagen, dass sich der Gerichtshof in dieser Sache täuscht, oder etwa doch, Gevatterin Dane?«
    »Doch, das würde ich, Sir, und dass es der Teufel ist, der sein Ziel durch die Verdammung von Unschuldigen erreicht, nicht etwa das Gezeter dieser bösen, besessenen Mädchen«, sagte Deliverance und schloss die Augen, als die Menge in ein wütendes Gebrüll ausbrach und die Mädchen aufschrien und sich auf die in Ketten gelegten Frauen stürzen wollten, wovon sie nur durch das Einschreiten mehrerer Männer und Priester abgehalten wurden.
    »Ich sehe ihn«, kreischte da Ann Putnam, zeigte mit dem Finger, und ihr Gesicht war tiefrot und schien vor Wut zu platzen. »Da! Ein schwarzer Dämon flüstert Gevatterin Dane etwas ins Ohr! Könnt Ihr ihn nicht sehen? Da! Da steht er doch!«
    Jetzt brach erst recht ein Tumult im Bethaus aus, und eine Weile konnte Mercy, die sich an der Kirchenwand abstützen musste und in sich zusammengesunken war, nicht hören,
was gesagt wurde. Sie sah, dass ihre Mutter ganz still und schweigend dastand, während Rebecca Nurse ihr etwas ins Ohr flüsterte und sich die anderen angeklagten Frauen um sie scharten, vor den drängenden, schreienden, grabschenden Leibern um sie herum zurückwichen. Die Richter hatten die Köpfe zusammengesteckt, sie gestikulierten wild, stachen sich gegenseitig mit Fingern vor die Brust. Offenbar herrschte zwischen ihnen Uneinigkeit. Aber nach nur wenigen Augenblicken schien der Zwist beigelegt, und sie nahmen wieder ihre Plätze ein. Gouverneur Stoughton schlug mit seinem Hammer auf den Tisch, damit die Menge wenigstens so lange Ruhe gab, bis er das Urteil verkündet hatte.
    »Susannah Martin«, stimmte er mitten in die brodelnde Menge hinein an, »Sarah Wildes, Rebecca Nurse, Sarah Good, Elizabeth Howe und Deliverance Dane. Aufgrund der hier gegen Euch vorgebrachten Beweise, wonach Ihr in finsterster Nacht die hier anwesenden Mädchen heimgesucht, sie bedrängt und von ihnen verlangt habt, dass sie dem Teufel dienen, wonach weiterhin bei einer vertrauenswürdigen Untersuchung an einigen von Euch widernatürliche Hexenzitzen gefunden wurden, mit denen Ihr abscheuliche Kobolde gesäugt habt, wonach des Weiteren mehrere von Euch im Zwist mit Euren Nachbarn lagen und ihnen dann mit unsichtbaren Mitteln Schaden an Leib oder Eigentum verursachten, und schließlich wonach man Euch dabei gesehen hat, wie Ihr mit Teufeln im Zwiegespräch standet, was Ihr jedoch leugnet, befinden wir Euch hiermit schuldig des Verbrechens der Hexerei und verurteilen Euch zum Tode durch den Strang.«
    Mercy schrie erschrocken auf. Gouverneur Stoughton schlug mit dem Hämmerchen auf den Bibliothekstisch, während im Bethaus erneut ein Tumult ausbrach, Rufe der Erleichterung und der Bestürzung laut wurden, und mehrere
der Zuschauer heulten: »Gott sei gepriesen! Die Erlösung ist nah!« Die besessenen Mädchen zitterten und bebten.
    »Seht nur, wie sie kommt!«, schrie Ann Putnam. »Gevatterin Dane schickt ihren Geist aus, um mich zu schlagen! Doch es bin nicht ich, Gevatterin Dane, die Euch verdammt! Es bin nicht ich!« Sie kauerte sich nieder, hielt die Hände über den Kopf, als wollte sie einen Schlag abwehren.
    Mercy schleuderte ihren Blick dem kauernden Mädchen zu und warf, ohne nachzudenken, eine geballte Ladung reinen Willens nach ihr, direkt zu der plärrenden Furie, deren Kopf zurückgeworfen wurde, als hätte man sie geohrfeigt. Eine leuchtend rote Strieme blühte quer über ihrem Gesicht auf, und Ann Putnam begann zu weinen.
    Mercy hob den Blick von dem entfesselten Mädchen und begegnete den kühlen Augen ihrer Mutter. Zu ihrer Überraschung zeigte Deliverance weder Wut noch Angst. Während der Gefängniswärter die angeketteten und weinenden Frauen zu dem Karren führte, der draußen vor der Tür auf sie wartete, dachte Mercy, hatte ihre Mutter, wenn sie denn überhaupt eine Regung zeigte, nur traurig gewirkt.

ZWEIUNDZWANZIG
    Salem, Massachusetts
Anfang September 1991
     
    C

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