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Das Hexenbuch von Salem

Das Hexenbuch von Salem

Titel: Das Hexenbuch von Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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sich, und alles im Saal beugte sich mit gespitzten Ohren nach vorn und wartete darauf, dass sie anhub zu sprechen.
    »Ich, Mercy Dane Lamson, neuerdings aus Marblehead, beantrage bei der Stadt Salem im County Essex die rechtmäßige Wiederherstellung des guten Namens meiner Mutter, Deliverance Dane. Alle haltlosen Anklagepunkte, die gegen sie vorgebracht wurden, sollen vom Gericht geklärt werden, auf dass wir, ihre Familie, jeglicher Schande und Schmach entledigt werden. So groß ist die Ungnade, in die wir gefallen sind, und so schwierig stellt es sich für mich dar, geschäftlich Fuß zu fassen, dass mir nur wenige Mittel bleiben, um mich selbst und meine Familie zu ernähren. Unsere Not und Bedürftigkeit sind groß, und von unseren Mitbürgern werden uns weder Gunst noch Freundschaft zuteil.«
    Wie sehr sie es hasste, diese Dinge zu sagen. Und wie elend würde es Jedediah zu Mute sein, würde er sie hören, weil es so klang, als sorge er nicht genug für sie. Mercys Wangen wurden tiefrot, während die Zuhörer murmelnd ihren Vortrag quittierten.
    »Mr. Saltonstall für die Stadt, wenn ich bitten darf«, sagte der Richter und wies auf einen vornehmen, älteren Herrn, der am Tisch der Anwälte zu Mercys Linker saß. Mit einem
Ächzen erhob sich der Gentleman und rückte die wallende graue Perücke gerade, die etwas schief auf seinem Kopfe saß. Er ging leicht gebeugt, war jedoch sehnig und schlank, und in seinen Augen schimmerte die Leidenschaft eines viel jüngeren Mannes. Mercy versuchte, an seinem Gesicht abzulesen, was er vorhatte, und fand in seinem Gebaren eine vage Vertrautheit, deren Umstände jedoch seit Langem verschüttet waren.
    »Mrs. Lamson«, begann er und stand da, beide Hände fest auf den Tisch vor ihm gestützt. »Probleme mit dem Leumund sind bekanntermaßen schwer zu messen, doch vielleicht könntet Ihr dem Gericht mit ein paar Einzelheiten dienen.«
    »Sir?«, fragte sie.
    »Dann habt Ihr also einen Ehemann?«, wollte Mr. Saltonstall wissen.
    »Ja«, antwortete sie verblüfft.
    »Der heute mit Euch hier ist, oder?«, fragte der Anwalt und reckte betont den Hals, um in die Menge zu schauen.
    »Er ist auf See«, erwiderte sie, die Brauen finster zusammengezogen.
    »Aha!«, sagte der Anwalt, legte die Hände auf dem Rücken zusammen und kam mit großen Schritten auf die Stelle vor der Schranke zu, wo Mercy stand. »Ein Seemann. Schwierige Arbeit. Von der man aber durchaus eine Familie ernähren kann.« Die Zuschauerränge quittierten seinen sarkastischen Unterton mit Heiterkeit, und Mercy bebte vor Zorn.
    »Nachdem meine Mutter ins Gefängnis kam, hat es mir ein paar Jahre an jungen Männern mit gutem Leumund gemangelt, die mir den Hof machen und mich um meine Hand bitten könnten, weshalb ich bereits als alte Jungfer galt. Jedediah Lamson erlangte meine Gunst nach seiner Ankunft aus England, als ich fünfunddreißig Lenze zählte.«

    Die Frauen auf den Zuschauerrängen flüsterten untereinander; Mercy spürte, wie sich hinter ihr weibliche Furcht regte gleich einer kaum wahrnehmbaren Strömung, während sie da vorne stand und für so manche ihrer Geschlechtsgenossinnen eine ihrer vielen unausgesprochenen Ängste verkörperte. Wieder machte sie sich an dem Loch in ihrem Umhang zu schaffen, ließ dann aber davon ab und packte stattdessen die Schranke ein wenig fester.
    »In der Tat«, verkündete der Anwalt und begann wieder, vor ihr auf und ab zu gehen. »Eine höchst glückliche Wendung. Und bevor Ihr Mr. Lamson bezirzt habt, womit verdientet Ihr da Euren ehrbaren Lebensunterhalt?«
    »Nach dem Prozess meiner Mutter hatten sich meine Nachbarn und Freunde von meiner Gesellschaft abgewandt«, sagte Mercy mit ruhiger Stimme. »In den Augen aller ehrbaren Bürger war ich so verhasst, dass sie sich weigerten, mir in meinem anerkannten Gewerbe Arbeit zu geben, mich in ihr Heim einzuladen, es nicht erdulden konnten, weder ein Mahl mit mir zu teilen noch mit mir Handel zu treiben oder mit mir zu sprechen. Ich unterließ es fortan, meinem Gewerbe nachzugehen, da man mich in meiner Umgebung nur noch für Abschaum hielt, und versuchte mein Glück in einer neuen Stadt, wo ich meine Tätigkeit als Heilerin in wesentlich vermindertem Maße wieder aufnahm.«
    Noch immer wurde geflüstert bei den Menschen, die hinter ihr saßen; nur gelegentlich drangen ganze Wörter und Satzfetzen an Mercys Ohr, die sie verstehen konnte. Verschwunden, glaubte sie gehört zu haben, und kleine Mädchen … schier besessen. Und

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