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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Muenzer
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glaube gar, niemals eine schönere und anmutigere Frau als
Euch erblickt zu haben. Wärt Ihr nicht meine Cousine und ich ein wenig jünger,
fürwahr, ich würde Euch mit Haut und Haar verfallen“, sagte er liebenswürdig
und küsste ihre Hand. Ha, die Marmorbüste lebte also doch! Aus der Nähe
betrachtet hatte der König sehr schöne dunkle Augen. Emilia witterte sofort
Morgenluft. Wie hatte Carlo gesagt? Es wäre ihre Chance und sie sollte sie
nicht vergeben. Oh ja, dachte sie, sie würde ihre Chance zu nutzen wissen, aber
anders als ihr Gemahl dachte… Wenn der König sich in sie verliebte, dann würde
er ihr doch sicher seine Hilfe nicht versagen? Dies war der Augenblick, sagte
sie sich, sich an Filomenas Ratschlag über das unausgesprochene Versprechen zu
versuchen. Waren nicht zwei Verbündete besser als einer?
    “Die Worte
Eurer Majestät schmeicheln mir sehr. Doch verzeiht, wenn ich es wage Euch zu
widersprechen… Denn Ihr seid keinesfalls alt. Und ich bin nicht nur eine
entfernte Cousine, sondern auch eine Frau…“
    Der König
betrachtete sie wohlwollend. Obwohl Ludwig ein Meister darin war, seit
frühester Kindheit seine wahren Gefühle vor aller Welt verborgen zu halten,
glaubte Emilia doch in seinen Augen ein gewisses Interesse aufblitzen gesehen
zu haben. Der König hatte sich seines Prunkgewandes entledigt. Ohne Perücke und
nur in Kniebundhosen und lange Weste gekleidet, wirkte der Sechzigjährige
tatsächlich verjüngt und seine lebhaften Bewegungen unterstrichen den Eindruck
noch. Er nahm Emilias Hand und führte sie zu einem vergoldeten Kanapee. „Ihr
also seid das Kindeskind der jüngsten Schwester meiner Mutter, Marie-Adelaide
von Savoyen. Vermutlich hat Eure Mutter Euch darüber unterrichtet, dass Eure
Großtante an den Masern starb, als ich gerade zwei Jahre alt war.
Verständlicherweise habe ich keinerlei Erinnerung an sie. Aber es ist allgemein
bekannt, dass Eure Großtante meinem Urgroßvater, dem großen Sonnenkönig, in
seinen letzten Jahren eine große Freude war und zum Licht seiner alten Tage
wurde. Madame de Ventadour, meine alte Erzieherin, wie auch der Regent während
meiner Unmündigkeit, der Herzog von Orléans, haben meine Mutter gekannt. Sie
haben mir von ihrer Schönheit, ihrer Lebendigkeit und vor allem ihren
geistreichen Bonmots berichtet, mit denen sie meinen Urgroßvater stets aufzuheitern
wusste. Mir wurde zugetragen, dass Ihr ihr gleichen sollt wie niemand sonst.
Und es ist wahr! Ihr werdet tatsächlich den Gemälden gerecht, mit denen der
Maler Santerre die Schönheit meiner Mutter festgehalten hat. Verzeiht daher der
Sentimentalität Eures alten Königs und lasst mich einfach eine Weile neben Euch
sitzen und Euer süßes Gesicht betrachten.“
    Draußen
wurden inzwischen Hochrufe laut und sodann setzte das laute Zischen und
Knattern eines gewaltigen Feuerwerks ein. Der König runzelte die Stirn ob der
Unterbrechung, und Emilia dachte resigniert: Nun wird mich Casanova
vergeblich suchen …
    „Ich habe
Erkundigungen über Eure Familie eingezogen und einige interessante Dinge
erfahren“, sprach der König jetzt. „Eure Mutter ist seinerzeit von der Familie
Savoyen verstoßen worden, da sie weit unter Stand geheiratet hat. Sie folgte
ihrer Liebe, wie man hört. Wie mir scheint, teilt Ihr deren Schicksal nicht,
schöne Emilia, sondern habt eine bessere Wahl getroffen. Euer Gemahl ist von
hoher Geburt und dabei ebenso stattlich wie reich. Ich konnte bereits
beobachten, dass die Damen meines Hofes seine Vorzüge überaus zu schätzen
wissen.“
    Emilia
schlug züchtig die Augen nieder und erwiderte: „Eure Majestät haben Recht mit
allem, was sie sagt, und doch war es eine von den Familien arrangierte Heirat.“
    Ludwig war
nicht dumm und verstand ihre Antwort als genau das, was sie damit hatte
ausdrücken wollen. Er nickte wissend und hob mit dem Zeigefinger ihr Kinn an.
„Soll das heißen, Ihr seid nicht glücklich, mein Kind?“ Emilia beschränkte sich
darauf, den Kopf zur Seite zu wenden.
    Der König stieß
einen Seufzer aus. „Das ist der Lauf der Dinge. Eine Frau fügt sich den
Wünschen der Familie oder sie wird verstoßen. Sagt mir, ist Eure Mutter durch
ihre Entscheidung glücklich geworden? Wie ich hörte, habt Ihr sie früh
verloren?“
    „Eure
Majestät ist sehr gut unterrichtet. Ja, meine Mutter und mein Vater waren sehr
glücklich miteinander. Ihr Tod hat ihn tief getroffen. Es hat ihn verändert…“
    „Ja, die
Liebe ändert alles...“ Ludwig

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