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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Muenzer
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Bankett stattfinden sollte. Hunderte
von Höflingen drängelten sich bereits darin.
    Das
Erscheinen des Paares auf der Schwelle löste heftiges Getuschel aus. Ein Emilia
nahestehender Greis ließ bei ihrem Anblick ein scharfes Zischen hören. Er war
sichtlich erblasst, als hätte er eine Erscheinung vor sich und seine zittrige
Hand krampfte sich um das Lorgnon, das er an einer Kette um die Brust trug.
    „Das ist der
Chevalier de Frésange“, murmelte ihr Gemahl. „Er muss mindestens hundert sein
und die Ausdünstungen seines Körpers sind nahezu unerträglich, also kommt ihm
nicht zu nahe. Dafür hat er den Vorzug, die Königinmutter noch persönlich gekannt
zu haben. Seht nur, wie er Euch anstarrt. Falls noch irgendjemand daran
zweifelte, so ist es nun Gewissheit. Ihr seid ihr Ebenbild. Kommt jetzt, nehmen
wir unseren Platz ein.“
    Später am Tisch
fragte Emilia: „Nimmt der König eigentlich nicht an seinem eigenen Bankett
teil?“
    „Wie ich
hörte, speist der König heute im kleinen Kreis. Vermutlich wird er erst zu
Beginn des Feuerwerks in Erscheinung treten. Kommt meine, Liebe. Wir wollen
tanzen. Ich brenne darauf, dem Hof Eure Grazie vorzuführen.“ Die Kapelle hatte
eben ein Stück beendet und Carlo führte sie auf die Tanzfläche. Der
Konzertmeister gab einen Rigaudon vor und die Paare stellten sich für den
lebhaften Gruppentanz in einer Reihe auf. Ständig wechselnde Tänzer wirbelten
an Emilia vorbei und nicht wenige von ihnen versuchten, ihre Aufmerksamkeit zu
erringen. Einem gelang es: „Sagte ich Euch nicht, dass wir uns wiedersehen
würden?“
    „Cavaliere
Giacomo Casanova!“, rief Emilia freudig überrascht. Welch ein Glück, gleich an
ihrem ersten Abend einen unerwarteten Verbündeten wiederzusehen! „Was tut Ihr
hier in Versailles?“
    „Seht Ihr das
nicht? Ich tanze mit der schönsten Frau der Welt!“, raunte er galant. Schon war
der Moment vorbei und der Tänzer wechselte.
    Als sie bei
der nächsten Schrittfolge aufeinandertrafen, flüsterte der Venezianer: „Um
Mitternacht gibt es ein Feuerwerk im Park und alle Welt wird abgelenkt sein.
Ich werde Euch da treffen.“ Der Tanz war zu Ende und er verschwand in der
Menge. Der Herzog führte sie an ihren Tisch zurück.
    Emilia
fieberte dem Feuerwerk ungeduldig entgegen. Lange konnte es nicht mehr dauern.
Einige der Geladenen erhoben sich bereits, um nach draußen zu gehen. Sie warf
einen verstohlenen Blick auf ihre kleine goldene Taschenuhr. Noch fünfzehn
Minuten bis Mitternacht. Plötzlich verbeugte sich ein Kammerdiener vor ihr und
sagte an Herzog Carlo gewandt: „Der König wünscht Eure Gemahlin zu sprechen.“
Carlo erhob sich sofort, doch der Mann ergänzte bedeutungsvoll: „Allein.“ Dem
Herzog blieb nichts anderes übrig, als gute Miene dazu zu machen. Er hatte
Dominique Lebel, genannt Le Bel, den persönlichen Kammerdiener Ludwigs XV.,
erkannt. Er beugte sich zu Emilia und zischte leise: „Das ist Eure Chance,
vergebt sie nicht.“
    Emilia war
wie vor den Kopf gestoßen. Der König war ihr momentan ziemlich einerlei – denn
was würde nun aus ihrem Treffen mit dem Cavaliere Casanova werden? Sie hatte
für sich bereits beschlossen, auf den pfiffigen Venezianer zu setzen. Wie lange
würde Ludwig sie aufhalten? Ihre Augen suchten ihre Umgebung ab. Vielleicht war
der Cavaliere in der Nähe und beobachtete das Geschehen? Es half nichts. Wenn
der König einem eine private Audienz gewährte, musste man unbedingt und sofort
gehorchen. Schon ein winziges Zögern würde als unverzeihlicher Affront
angesehen werden. Sie erhob sich und raffte ihre ausladenden Röcke. Mit geraden
Schultern und hoch erhobenem Kopf schritt sie unter dem unüberhörbaren
Getuschel der Höflinge hinter Le Bel her.
    Ludwig XV.,
empfing sie in seinem privaten Kabinett. Emilia versank sofort in eine tiefe
Referenz. Eine von Odettes Bemerkungen kam ihr in den Sinn. Der Kammerdiener
des Königs galt als sein treuester Kuppler. Hatte nicht derselbe Le Bel vor gar
nicht allzu langer Zeit seinem Herrn die uneheliche Jeanne Bécu zugeführt, die
heutige Madame Du Barry und erklärte Favoritin? Unwillkürlich fragte sie sich,
ob sie sich nun selbst in den Räumlichkeiten befand, die der Hof Vogelfalle
getauft hatte, weil man darin kleine Vögelchen fing. Der König eilte ihr jovial
entgegen, hob sie auf und ließ sich Zeit für die eingehende Betrachtung ihres
Gesichts. „Wie schön Ihr seid“, murmelte er dann auf Italienisch, das er sehr
gut beherrschte. „Ich

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