Das Hexenkreuz
ihrer Ringe geschenkt. Graziano hatte sie trotz
der einfachen Kleidung, dem Häubchen und dem hartnäckig gesenkten Kopf, auch
hier sofort erkannt. „Ihr seid überaus einfallsreich“, hatte er bemerkt und ihr
ihren Ring gereicht. „Ich freue mich bereits darauf, mit welcher Aktion Ihr
mich morgen überraschen wollt. Fürwahr, selten wurde ich auf einer Reise so gut
unterhalten.“ Er selbst schien keinen Schlaf zu benötigen und spornte seine
Männer zu ständiger Wachsamkeit an. Emilia behandelte er zwar zuvorkommend,
aber mit wohldosierter Distanz. Emilia hatte kurz erwogen, ihm schöne Augen zu
machen, unterließ es aber dann, da sie an Filomenas Warnung dachte. Auch seine
Männer schienen völlig unempfänglich für ihre Reize zu sein. Selbst der
Kutscher ignorierte sie mit dem stoischen Gleichmut eines Ochsentreibers.
Einmal mehr musste Emilia feststellen, welche Macht Beatrice über ihre Männer
ausübte.
Die Kutsche
ratterte über die Rue de Rivoli. Emilia glaubte in der Ferne die mächtigen Türme
der Kathedrale von Notre Dame ausmachen zu können. Sie näherten sich nun dem
linken Seine-Ufer. Endlich hielt der Kutscher vor einem hohen Portal an. Dessen
eiserne Flügel schwangen zur Seite und die Kutsche fuhr in einen großen
gepflasterten Hof. Vor einem prächtigen weißen Stadtpalast im Renaissancestil kam
sie zum Stehen. Herzog Carlo erschien auf der Freitreppe und öffnete persönlich
den Schlag der Kutsche für sie. „Willkommen in Paris und im Hotel Bellevue,
meine Liebe. Ich bin entzückt, Euch wiederzusehen. Ich hatte beinahe vergessen
wie schön Ihr seid, selbst nach dieser langen und anstrengenden Reise“, sagte
er galant und küsste ihre Fingerspitzen. Dann reichte er ihr den Arm und führte
Emilia in die weitläufige Halle, in der sich ein gutes Dutzend Diener in der
herzoglichen Livree aufgereiht hatten.
Ein arrogant
wirkender Mann mit blassem Gesicht und langer Nase trat vor. „Dies, meine
Liebe, ist Maitre Benoít, Euer Haushofmeister“, stellte er ihn vor. „Wendet
Euch in allen Belangen des Haushalts an ihn.“ Der Mann verbeugte sich steif und
sagte: „Frau Herzogin, im Namen der gesamten Dienerschaft heiße ich Euch im
Haus Eures Herrn Gemahl willkommen.“
Carlo winkte
eine junge Zofe heran. Diese knickste. „Und das hier ist Odette, Eure zweite
Kammerzofe neben Rosa. Kommt, ich werde Euch Euer Logis zeigen.“ Carlo führte
sie über eine Treppe in den hinteren Teil des Gebäudes. Er stieß eine
doppelflügelige Tür auf und ein weiter, luftiger Raum öffnete sich vor Emilia.
Durch das bodentiefe Fenster drang das Plätschern von Wasser herein. Emilia
sah, dass ihr Gemach direkt auf den angrenzenden Garten hinausführte. Gleich
hinter der hohen Backsteinmauer floss die Seine, die Lebensader von Paris.
Da es ihrem
Gemahl wichtig schien, lobte sie die Ausstattung des Appartements und er merkte
an, dass es im Sinne der Dekorationskunst gestaltet worden war, die die
berühmte Madame de Pompadour erfunden hatte. Zierliche chinesische Lackmöbel, zwei
Armsessel und eine Bank aus granatrotem Samt vor dem Kamin, ein Prunkbett zu
dem eine Stufe hinaufführte und frische Blumen in blauweiß gemusterten Vasen
schufen eine angenehme Atmosphäre. Auf dem glänzenden Walnussboden lag ein
weicher weißer Teppich, in dem Emilia fast bis zu den Knöcheln versank. Die
Wände zierte eine elfenbeinfarbene Seidentapete mit Toile-de-Jouy Muster. Ein
bezaubernder Rahmen für eine raffinierte Frau. Auf dem Bett erwartete Emilia
eine prächtige Ballrobe aus silbern schimmerndem Taft. Der weite Rock war mit
leuchtenden Rubinen bestickt, in dem sich das Licht des Tages in roten Funken
brach.
„Gefällt
Euch Euer Kleid? Es ist dem Hochzeitskleid Eurer Großtante, Maria-Adelaide von
Savoyen, nachempfunden. Sie war die früh verstorbene Mutter Ludwigs XV. Bei
ihrer Hochzeit war sie erst zwölf Jahre alt. Ihr besitzt nicht nur ihre
Schönheit, sondern auch ihr lebhaftes Wesen. Seine Majestät, Ludwig XV., wird
von Eurer Anmut und Frische ebenso eingenommen sein wie mein Urgroßvater, der
Sonnenkönig von Maria-Adelaide. Sie war das Glück seiner späten Tage. Es heißt,
dass er in tiefe Trauer verfiel, als sie mit nur sechsundzwanzig Jahren an den
Masern starb.“ Emilia staunte über seine neue Mitteilsamkeit. Dabei wünschte
sie sich nichts sehnlicher, als dass er sie endlich verließ, damit sie in Ruhe
ihre Räumlichkeiten inspizieren konnte. Sie hatte bereits bemerkt, dass das
Eingangsportal und
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