Das Hexenkreuz
Bedingung …“
„Und die wäre?“
„Ich komme mit!“
III
Kurz nach Mitternacht schlichen zwei dunkle Gestalten durch
das dichte Gehölz am Dorfrand. „Müssen wir denn unbedingt mitten in der Nacht
losziehen? Wir werden uns im Dunkeln noch den Hals brechen“, grummelte
Serafina.
„Murr nicht
rum“, raunte Emilia zurück. „Der Mond und die Sterne werden uns leuchten.“
Sie hatten -
jede für sich - Abschied genommen. Serafina hatte ihre Mutter Elvira vor dem
heimlichen Aufbruch nicht mehr gesehen. Sie bedauerte dies zwar, andererseits hatte
es die Dinge für sie vereinfacht. Donna Elvira war nicht leicht zu täuschen und
hätte ihr sofort angemerkt, dass etwas nicht stimmte. Sie hätte auch liebend
gern Abschied von Paridi genommen, doch der eigensinnige Kater war seit dem
Nachmittag wie vom Erdboden verschluckt.
Emilia
selbst schützten ihre Wut und Enttäuschung vor jedem Anflug von
Sentimentalität. Sie bedauerte nichts. Allein der Abschied von ihrem alten
Pferd Dante zerriss ihr das Herz und sie hatte bittere Tränen in seine Mähne
vergossen. Gerade weil sie ihn liebte, konnte sie ihn nicht mitnehmen. Dante,
der sie ihr ganzes Leben begleitet hatte, hatte es nicht verdient, mit seinen
steif gewordenen Gelenken auf unwegsame Gebirgspfade gejagt zu werden.
Nachdem
Emilia ihre wenigen Habseligkeiten gepackt und im Stall versteckt hatte, hatte sie
die ihr verbleibende Zeit in seiner Box verbracht. Dazu hatte sie sich durch
den geheimen Burggang geschlichen, den sie als Kind bei ihren Streifzügen
entdeckt hatte. Diese Vorsichtsmaßnahme war notwendig gewesen, weil ihr Tante
Colomba - sicher in Pieros Auftrag -, seit dem Nachmittag nicht mehr von den
Fersen gewichen war. An allen Ecken und Enden hatte sie ihr wie ein
Schreckgespenst aufgelauert.
Ohne Skrupel
führte Emilia dafür Pieros Pferd am Zügel, einen prachtvollen schwarzen
Araberhengst, den sie neben Dantes Box entdeckt hatte. Sattel und Zaumzeug
waren vom Feinsten und mussten ein Vermögen verschlungen haben. Serafina hatte
sie die nicht mehr junge Stute ihres Vaters überlassen. Ambra war ein sanftes und
gutmütiges Tier, das Serafinas rudimentären Reitkünsten entgegenkam. Darüber
hinaus hatte es Emilia bewerkstelligt, ihrem nach der Rückkehr aus der
Dorfschenke besinnungslos betrunkenem Bruder die Börse zu entwenden. Ihr Inhalt
hatte sich als unerwarteter Glücksfall erwiesen: Zwanzig venezianische Goldmünzen!
Emilia mutmaßte, dass die Börse Pieros Anteil am Verkauf der Braut darstellte. Den
wertvollen Araber würde sie in Rom verkaufen. Emilia befühlte Pieros Börse.
Eigentlich war der Diebstahl von Donna Elviras Ersparnissen dadurch unnötig
geworden. Doch es war zu spät, deren Ersparnisse zurückzulegen. Sie würde es
ihrer Freundin später beichten müssen und darauf hoffen, dass ihr Serafina
deshalb nicht zu sehr grollen würde.
Die beiden
jungen Frauen wandten sich nach Nordosten. Sie nutzten einen tiefer gelegenen Pfad,
der vom Dorf aus nicht einsehbar war. An einer bestimmten Biegung hielten sie inne
und drehten sich um. Danach würde das vertraute Santo Stefano di Sessanio ihren
Blicken hinter einer Hügelkette entzogen sein. Die Umrisse des kleinen
mittelalterlichen Dorfes und der Burg, die als stummer Wächter darüber thronte,
zeichneten sich als Schattenriss vor dem nachtdunklen Himmel ab. Millionen
funkelnder Sterne rahmten das Bild ein, während die Sichel des Mondes den Bergfried
krönte. Den beiden Freundinnen wurde die Kehle eng. Erst jetzt kam ihnen zu
Bewusstsein, dass es vielleicht ein Abschied für immer sein könnte.
Entschlossen setzte sich Emilia wieder in Bewegung. Serafina warf einen letzten
sehnsüchtigen Blick auf die Stelle, wo sie ihr Zuhause wusste. Dann folgte sie
ihr nach. Hinter der Biegung schwangen sie sich in ihre Sättel.
Den Rest der
Nacht ritten sie schweigend dahin. Sie mieden so gut es ging den Hauptweg, der
vom Berg hinab ins Tal führte, und hielten sich auf abseitigen Pfaden, die
Emilia von ihren Jagdausflügen her kannte. Sie blieben stets auf der Hut. Dabei
fürchteten sie weniger die menschlichen Räuber als die tierischen wie Bär oder Wolf,
die ihre abgeschiedene Heimat mit ihnen teilten.
Emilia stellte
fest, dass es einen enormen Unterschied bedeutete, ob man sich am frühen Morgen
auf eine Jagd begab oder ob man sich heimlich nachts davonstahl. Sie reagierte
auf jedes Geräusch sensibler als gewohnt. Ein ums andere Mal tastete sie nach
ihrem Bogen, den sie am
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