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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Muenzer
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zurückschicken, wo er hergekommen ist. Nach Venedig. Sollen sich die
guten Leute dort mit ihm herumschlagen. Apropos, wünschst du, dass ich die
Kammerzofe Odette aus diesem Haushalt entfernen lasse?“
    „Warum fragt
Ihr mich das?“
    „Weil sie gestern
dein Missfallen erregt haben könnte?“
    Emilia
nippte an ihrem Kaffee. Sie erinnerte sich des flehentlichen Blicks des jungen
Mädchens, als Graziano mit der Klinge vor ihrem Gesicht hantierte. Die Zofe
hatte sich zwar als erschreckend frivol erwiesen, aber ihre Angst in dieser
Sekunde konnte nicht gespielt gewesen sein. Sie war kaum weniger ein Opfer als
sie selbst. „Nein, lasst sie in Frieden. Wenn Ihr mir aber einen Dienst
erweisen wollt, hätte ich nichts dagegen, wenn Ihr mich von der Gegenwart
Grazianos befreien würdet. Mir graut in seiner Gesellschaft. Dieser Mann hat
keine Seele.“
    Der Herzog
gestattete sich ein wölfisches Grinsen. „Wer weiß? Vielleicht hat er sie ja an
meine Mutter verkauft?“
    Emilia
irritierte die Bemerkung und betrachtete ihren Gatten von der Seite. Er wählte
eine reife Feige und biss mit geradezu animalischem Genuss hinein. Verwundert
stellte sie sich die Frage, wie es dazu hatte kommen können, dass sie friedlich
neben dem Herzog im Bett plauderte und mit ihm frühstückte. Ihr Gemahl gab ihr
Rätsel auf. Filomena liebte ihren einzigen Bruder und hielt trotz allem an ihm
fest, wollte ihn gar mit der Hilfe ihrer Schwägerin dem Einfluss der Mutter
entziehen. Unwillkürlich fragte sich Emilia, wie viel ihrem Gemahl die eigene
Schwester bedeuten mochte? Immerhin hinderte er seine Mutter nicht daran, diese
einzusperren. Oder lag es außerhalb seiner Macht, Filomena zu helfen? Dies
wiederum würde bedeuten, dass er sich seiner Mutter gegenüber nicht behaupten
konnte, dass er schwach wäre oder aber Filomenas Schicksal gegenüber gleichgültig.
Emilia gefiel weder das eine noch das andere. Natürlich liebte sie Carlo nicht,
er hatte lediglich ihre Sinne berührt, nicht ihr Herz. Es war diese kaum zu leugnende,
körperliche Anziehungskraft, die sie drängte, mehr über ihn in Erfahrung zu
bringen. Sie überraschte sich bei dem Wunsch, dass er ein weniger verwerflicher
Mensch wäre als seine Mutter. Gleichzeitig hatte sie erlebt, wie grausam er
sein konnte. Hatte er es nicht erst heute Nacht bewiesen, in dem er Odette
durch Graziano gedroht hatte? Auch hatte er nicht eingegriffen, als seine
Mutter im Begriff stand, Francesco Colonna rituell ermorden zu lassen. Auf jeden
Fall war er ein äußerst widersprüchlicher und zwiespältiger Mensch, der sich
nicht in die Karten sehen lassen wollte.
    „Was
beschäftigt dich so sehr, dass sich auf deiner bezaubernden Stirn eine
vorwitzige Falte zeigt?“
    „Ich
überlege, was für eine Sorte Mensch Ihr seid“, erwiderte Emilia ehrlich. „Zum
Beispiel Eure Bemerkung vorhin über Graziano… Ich frage mich, ob auch Ihr Eure
Seele verkauft habt?“
    Der Herzog
nahm eine saftige Birne und schnitt sie in Scheiben. Er bot Emilia davon an. „Ach
ja, die Seele“, sagte er dann. „Die bevorzugte Währung unserer Mutter Kirche.
Ich für meinen Teil finde, dass ihr allgemein zuviel Bedeutung zugemessen wird
- zumal ihre Existenz nicht erwiesen ist. Eine reine Erfindung der Kirche und
der Romantiker, wenn Ihr mich fragt, wie auch die Mystik selbst eine Erfindung
der Menschen ist. Nehmt das Schicksal der Geburt. Ob Bauer oder König, er
selbst übt darauf keinen Einfluss aus. Der Mensch ist, was er ist und folgt
allein seiner Bestimmung.“
    „Und Ihr folgt
der Bestimmung, König zu werden?“
    „Natürlich.
Ich wurde als Bourbone geboren“, erwiderte Carlo stolz. „In mir fließt kaum
minder edles Blut als in den Adern Ludwigs XV.“
    „Nur, dass
nicht Ihr es wart, der in Versailles auf die Welt kam, sondern le Roi Louis.
Widersprecht Ihr Euch nicht damit selbst und Eurer so genannten Bestimmung?“
    „Warum?
Meine Bestimmung ist es, eines Tages König von Italien zu werden und eine neue
Dynastie zu gründen. Ich bin hier in Paris, um die Voraussetzungen dafür zu
schaffen. Mein Vetter, der französische König, wird mir dazu verhelfen.“
    „Vorausgesetzt,
er erkennt Euch als Euren Verwandten an. Wenn ich es richtig verstanden habe,
stagnieren derzeit Eure Bemühungen in dieser Hinsicht?“
    „Eine Frage
des Geldes, was, meine liebe Gemahlin, wiederum die Währung der Macht ist. Der
Duc de Choiseul, dieses geldgierige Ungeheuer, versucht noch mehr für die
marode Staatskasse wie auch

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