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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Muenzer
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Spaziergang im Park.“
    Es war
wirklich ein herrlicher Morgen und der Tau glänzte wie Silber auf dem satten
grünen Gras. Emilia genoss die köstliche Frische. Am liebsten hätte sie sich
ihrer Schuhe entledigt und wäre barfuß über das weiche Grün gelaufen. Sie
musste wohl eine entsprechende Bewegung gemacht haben, denn der Herzog sah sie
warnend an. Sie promenierten eine Allee entlang, die beidseitig von Buchsbaumhecken
gesäumt war. Dann passierten sie die marmornen Monumente der vier Temperamente und
bewunderten das Wasserspiel. Emilia hätte dort gerne noch länger verweilt, doch
der Herzog wollte weiter. Sie umrundeten ein ornamental angelegtes Blumenbeet
und fanden sich nach dem Passieren einer Buchenhainhecke völlig überraschend
Ludwig XV. gegenüber. In seinem Schlepptau hatte sich die übliche Schar
Höflinge aufgereiht. Deren Köpfe spitzten nun auf dem schmalen Weg rechts und
links am König vorbei, um die Ursache für den plötzlichen Halt zu erfahren. Am
Arm des Königs hing aufgezäumt die Du Barry und sah aus wie eine rosa Wolke. Der
König löste sich wie beiläufig von ihr und betrachtete zufrieden den Scheitel
Emilias, die vor ihm in einen Hofknicks gesunken war. Aber erst, nachdem Carlo
sie vorsichtig angeschubst hatte. Er hob die junge Frau auf. „Herzog Carlo und
Herzogin Emilia! Wir sind entzückt über diese unverhoffte Begegnung. Wie wir
sehen, genießt das junge Paar gemeinsam die herrliche Frische dieses Morgens.
Herzog, seid so gut und nehmt den Arm der Gräfin. Herzogin Emilia, Ihr kommt
mit mir. Da der glückliche Zufall unsere Wege hat kreuzen lassen, möchten wir Euch
persönlich die Schönheiten unseres Parks zeigen. Ist er nicht ein Ort der
Poesie und Verzauberung?“, schwärmte Ludwig. „Sagt, Teuerste, was wünscht Ihr
zuerst zu sehen?“ Emilia war kurz wie erstarrt. Der Begegnung mit dem König
haftete etwas Surreales an. Vor einer Stunde noch hatte er sich in sie
ergossen. Im Grunde war es nichts anderes als eine Vergewaltigung gewesen. Wie
verhielt man sich in einer solchen Situation? Normal, wie es den Anschein
hatte. Der König jedenfalls wirkte nicht im Geringsten verlegen. Vermutlich
hatte sich ihm auch noch nie eine Frau verweigert. Zorn kochte in Emilia hoch,
doch sie hatte inzwischen gelernt, sich zu zügeln. Was würde ihr ein
Wutausbruch angesichts des Königs auch bringen? Nichts, gestand sie sich ein. Sie
fing den säuerlichen Blick der Favoritin auf. Vor allen Dingen durfte die Du
Barry davon nichts erfahren. Noch immer hoffte sie auf deren Hilfe,
gleichzeitig bedauerte sie die Gräfin. Zwar logierte sie selbst erst kurz bei
Hofe, doch sie hatte das falsche Wesen dieses Hofstaats bereits verinnerlicht. Sie
verstand, wie brüskierend das Verhalten seiner Majestät eben für die Favoritin
gewesen sein musste und wie viel Häme ihr entgegenschlug. Emilia jedenfalls sah
sich den Augen aller Anwesenden ausgesetzt. Sie hatte bereits früher bemerkt,
dass ihr soviel Interesse Unbehagen bereitete. Dazu kam noch die unwürdige
Szene mit dem König zuvor im Schlafzimmer. Die Situation löste ein erneutes
Déjà vu aus: Unvermittelt fühlte sie sich in das Gewölbe von Sulmona
zurückversetzt, als sie nackt den Mittelgang entlanggeschritten war, um
Francesco dem Tod zu entreißen. Sekundenlang konnte sie keinen klaren Gedanken
fassen, obwohl seine Majestät ihre Antwort erwartete. So nannte sie das
Erstbeste, das ihr einfiel, weil sie sich vage erinnerte, dass ihr jemand davon
vorgeschwärmt hatte: „Ich würde gerne den Potager du Roi sehen?“ Zu spät ging
ihr auf, wer ihr vom Potager du Roi vorgeschwärmt hatte. Serafina! Wie
dumm sich ihr Ansinnen vor dieser illustren Gesellschaft, mit seiner Majestät
an der Spitze, anhören musste. Schön, soll er mich für eine Landpomeranze
halten, dachte sie trotzig. In der Tat entstand ein Vakuum und absolute Stille
herrschte. Selbst die Vögel schienen ihr Gezwitscher eingestellt zu haben. Das
Universum wartete darauf, dass der König reagierte. Eine Sekunde verging, dann
zwei. Dann brach Le Roi Louis in ein herzhaftes Gelächter aus: „Wie entzückend
Ihr doch seid, Herzogin. So erfrischend anders, als wir es gewohnt sind.
Fürwahr, unser Hof hat Euch noch nicht verdorben. Da ist Euer König geneigt,
Euch alle Wunder von Versailles zu Füßen zu legen, und alles was Ihr von Ihm
verlangt, ist, seinen Gemüsegarten zu sehen. So sei es also, Euer Wunsch ist
des Königs Befehl. Kommt!“ Er bot ihr seinen Arm und die

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