Das Hexenkreuz
Zeit zu geben, ihre
Worte auf sich wirken zu lassen.
Tatsächlich
glomm ein Funken von Interesse in seinen eisgrauen Augen auf. „Was wollt Ihr
damit andeuten?“
Emilia sah
sich kurz um, um sich zu vergewissern, dass sich keine unerwünschten Lauscher
in ihrer Nähe befanden. Dann beugte sie sich ihm entgegen und sagte
eindringlich: „Dass ich keineswegs an Eurem Grafen interessiert bin. Verhelft
mir zur Flucht und Ihr seid mich für immer los!“
Die
Augenbrauen ihres Gegenübers schossen verblüfft in die Höhe. Emilia
registrierte mit Genugtuung, dass er ihr Ansinnen nicht sofort entrüstet von
sich wies. Im Gegenteil, er schien den Gedanken gründlich durchzukauen.
Schließlich hob er den Kopf; seinem Grinsen haftete etwas Diabolisches an. „Das
hat etwas für sich ... Lasst mich darüber nachdenken.“ Er erhob sich ohne ein
Wort des Abschieds und schlenderte lässig davon.
Emilia wurde
durch seinen abrupten Abgang überrumpelt: „So wartet doch! Wann höre ich von
Euch?“
Doch er
zuckte nur mit den Schultern und verschwand rasch zwischen den Büschen. Nicht
zu früh, denn Conradin stand plötzlich mit dem obligatorischen Tablett hinter
ihr. Eine der Doggen, die dem Jungen nicht gefolgt waren, hob die Lefzen und
ließ ein ungnädiges Knurren ertönen. Emilia konnte es dem Tier nachempfinden.
Auch sie verspürte Widerwillen bei Conradins Anblick, der ihr langsam zum bösen
Schatten wurde. Sie beachtete ihn nicht weiter, sondern erhob sich. Gefolgt von
den beiden Hunden entfernte sie sich in Richtung des Seerosenteichs. Dieser
stille Ort hatte es ihr angetan. Es ging so viel Frieden und heitere
Gelassenheit von ihm aus, die sich auf sie übertrug, sobald sie sich ihm näherte.
Sie kniete an seinem Rand nieder und spielte mit ihren Fingern im Wasser. Dabei
dachte sie über das seltsame Benehmen ihres ungebetenen Besuchers nach. Was
verband ihn mit dem Grafen Bramante? Seinem Verhalten haftete etwas
Eigenartiges, kaum Greifbares an.
„Ist dies
nicht ein bezaubernder Ort? Es heißt, einst haben ihn Feen bevölkert. Ich gebe
zu, auch ich komme gerne hierher, um meinen Geist zu entspannen.“
Nur mit
größter Willensanstrengung gelang es Emilia ein Zusammenzucken zu verhindern. In
ihre Überlegungen vertieft, hatte sie Bramantes Nähertreten nicht bemerkt.
„Graf Bramante“, sagte sie zurückhaltend und reichte ihm ihre Hand. Er neigte
sich darüber und küsste die wie ein Schwanenhals gebogene Hand. „Setzen wir uns
einen Moment und plaudern wir ein wenig“, forderte er sie mit einer höflichen
Geste auf. Er führte sie zu einer Bank, auf die fürsorgliche Hände Seidenkissen
gebreitet hatten. „Auch Ihr fühlt, dass dies ein besonderer Ort ist, nicht
wahr? Es heißt, dass anstelle dieses kleinen Teiches dereinst eine heilige
Quelle sprudelte. Äeneas selbst soll sich hier auf seinem Weg nach Rom
erfrischt haben. Leider ist die Quelle lange versiegt, aber noch immer wohnt
diesem Ort ein besonderer Zauber inne.“
Bei Emilia
schlugen alle Alarmglocken gleichzeitig an. Wie schon gestern am Tigergehege,
überkam sie das jähe Gefühl, dass Bramante versuchte, sie auszuhorchen. Die
unwirkliche Szene mit Beatrice am Tempel der Venus wuchs vor ihrem inneren Auge
empor. Es stimmte, auch dort hatte eine besondere Magie gewirkt. Wusste er
etwas darüber oder fischte er lediglich auf gut Glück im Trüben? Auch wenn
Beatrice ihre eingeschworene Feindin war, dieses Erlebnis würde sie niemals
offenbaren. Das Geheimnis des verborgenen Venustempels war nicht für die Ohren
eines Bramante bestimmt. „Äeneas? Ich glaube, ich habe diesen Namen schon
einmal im Zusammenhang mit einer alten Sage gehört. Verzeiht, aber ich muss
Euch nicht sehr gebildet erscheinen…“, gab sie sich betont naiv und versuchte
sich an einem verlegenen Lächeln.
„Aber nicht
doch, meine Liebe. Kein Grund, sich dafür zu entschuldigen.“ Bramante
tätschelte ihre Hand. „Ich weiß doch, dass Euer Vater, der Conte, kaum über die
Mittel verfügte, Euer Schulgeld für die guten Nonnen von Assisi aufzubringen.
Das Geld reichte gerade für die Ausbildung Eures Zwillingsbruders am römischen
Jesuiten-Kolleg.“
„Das ist
Euch bekannt? Was wisst Ihr sonst noch über meine Familie?“, erkundigte sich
Emilia sofort voller Misstrauen. Graf Bramante raubte ihr mit seiner Eigenart,
ständig wahllos von Thema zu Thema zu hüpfen, den letzten Nerv.
„Ich weiß,
dass Euer Vater tatsächlich sehr zu bedauern ist, denn die Sterne
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